Am vergangenen Samstag feierte der neue Audi R8 LMS beim VLN-Lauf seine Rennpremiere.
Neben Jamie Green steuerte Christopher Haase den Boliden – wir unterhielten uns mit dem Audi-Werksfahrer über das neue GT3-Fahrzeug aus Ingolstadt.
Was sind die größten Unterschiede zwischen der neuen und der alten Evolutionsstufe des Audi R8 LMS?
Ziel war es, noch mehr auf die Kundenbedürfnisse einzugehen. Deshalb standen Technik und Betriebskosten im Mittelpunkt. Das Grundkonzept des Audi R8 LMS ist bestens bewährt und steht für leistungsfähige, zuverlässige und sehr sichere Technik, die die Voraussetzung für weltweite Erfolge bei Sprints und Langstreckenrennen bietet. Um den Kunden eine noch bessere technische Basis zu geben, hat Audi Sport mehrere Bereiche modifiziert. Aerodynamik und Kühlung sind so verändert worden, dass das Fahrverhalten noch konstanter wird. Ebenso galt das Augenmerk der Dauerhaltbarkeit der Kraftübertragung. Im Ergebnis profitieren die Teams sportlich und wirtschaftlich: Moderate Verbesserungen am Gesamtkonzept und die längeren Wartungsintervalle für Kupplung und Getriebe stehen für sinnvolle Investitionen, die sportlichen Erfolg versprechen und Amateuren optimal entgegenkommen. An der Front stehen eine geänderte Karosserieform und ein neuer Splitter nicht nur für ein neues Gesicht, sondern für aerodynamische Verbesserungen. Während die Werte für Luftwiderstand und Abtrieb durch den Automobil-Weltverband FIA (Fédération Internationale de l’Automobile) vorgegeben sind, ermöglicht die neue Form einen konstanteren Abtrieb über verschiedene Bereiche hinweg. Im Bereich der Bremsenkühlung zielten die Ingenieure ebenfalls auf eine höhere Konstanz ab. Eine verbesserte Luftführung zur Bremsanlage an den Hinterrädern und die effizientere Warmluftabfuhr aus den innenbelüfteten Scheibenbremsen verhindert, dass sich die Felgen im Rennbetrieb zu stark aufheizen. Durch den physikalischen Zusammenhang von Druck, Temperatur und Volumen verhelfen die Neuerungen zu konstanteren Reifendrücken. Dies ist ein weiterer Faktor, der die Konstanz des Rennwagens steigert. Eine optimierte Luftführung durch den vorderen Stoßfänger verbessert darüber hinaus die Bremsenkühlung an der Vorderachse. In der Kraftübertragung hat Audi Sport die Dreischeiben-Rennkupplung optimiert. Ein Verschleißschutz für die Kupplungsfeder vergrößert das Revisionsintervall des hoch belasteten Bauteils um mehr als 50 Prozent. Auch der weitere Kraftfluss präsentiert sich noch haltbarer. Eine überarbeitete Verzahnung und verstärkte Lager erlauben längere Einsatzzeiten des sequenziellen Sechsganggetriebes. Ebenso ist es den Ingenieuren gelungen, den Verschleiß der Differenzialsperre zu verringern. Dadurch können die Teams eine weichere Vorspannung wählen, was das Fahrverhalten vereinfacht. Insbesondere bei 24-Stunden-Rennen wirken sich diese Vorteile aus, denn auch nach mehreren Tausend Kilometern Renndistanz am Stück bleibt die gewünschte Sperrwirkung erhalten.
Inwiefern hat sich das Fahrverhalten geändert?
Für mich als Fahrer ist das Auto nun einfacher zu fahren. Generell verhält sich das Auto beim Einlenken besser. Es ist nun einfacher, in die Kurve hineinzubremsen, da das Auto beim Anbremsen deutlich weniger übersteuert. Wenn es übersteuert, dann ist es nun einfacher zu kontrollieren. Ebenso ist das Auto ausgeglichener, wenn sich die Balance ändert. Nach dem Anbremsen und Einlenken kommt die Rotationsphase am Scheitelpunkt, danach geht man in der Regel wieder aufs Gas zum Herausbeschleunigen. Das Auto bleibt nun im gesamten Kurvenverlauf stabiler und einfacher. Das erleichtert uns auch die Arbeit beim Abstimmen, weil wir früher wissen, in welche Richtung wir arbeiten müssen. Über längere Distanzen ist das Auto vor allem auf der Hinterachse beständiger. Über die Distanz ergibt sich eine bessere Balance, der Fahrer fühlt sich wohler. Es ist uns gelungen, die allgemeine Fahrbarkeit zu verbessern. Jeder fühlt sich in unserem Auto wohl, vom Gentleman über den Amateur bis zum Profi.
Viele rätseln darüber was das für Öffnungen über dem Kühlergrill an der Fahrzeugfront sind – kannst du uns dort weiterhelfen und für was sind diese gut?
Die größten optischen Veränderungen haben sich in der Tat an der Fahrzeugfront ergeben. Es geht um keine einzelne Funktion einer Öffnung, sondern um das aerodynamische Gesamtkonzept. Deshalb ist der gesamte Bereich zwischen den Scheinwerfern und auch darunter neugestaltet, ebenso der vordere Splitter. Unterschiedliche Fahrhöhen, die die Teams durch Fahrwerkseinstellungen erzielen, aber auch die Fahrzustände bei verschiedenen Geschwindigkeiten oder in Situationen wie dem Anbremsen von Kurven und beim Beschleunigen haben nun geringere Auswirkungen auf den Luftstrom. Somit ergibt sich eine höhere aerodynamische Stabilität, die insbesondere Gentleman-Rennfahrern ein stetigeres Fahrgefühl vermittelt.
Ist Audi mit dem Testeinsatz in der VLN zufrieden?
Der Testeinsatz am 6. Oktober in der VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring verlief sehr gut. Technisch war alles perfekt, auch unsere Rundenzeiten waren gut. Im Qualifying haben wir uns mit Aston Martin einen Kampf in der Klasse SPX geliefert und standen als Zweite in der ersten Startreihe, die GT3-Rennwagen folgten hinter uns. Das Reglement der Klasse SPX für unseren noch nicht homologierten künftigen GT3-Rennwagen sieht vor, dass wir als Letzte starten mussten und bei jedem Boxenstopp 20 Sekunden länger stehen mussten. Insofern waren wir mit Gesamtrang fünf beim ersten Testeinsatz sehr zufrieden. Ich musste lediglich einmal eine Runde früher an die Box, weil wir uns nicht sicher waren, ob ich ein Trümmerteil im Reifen hatte. Bei dieser Gelegenheit zog Aston Martin an uns vorbei.
Unsere Vorstellung des Fahrzeugs findet ihr hier.
Die technischen Daten des R8 LMS findet ihr hier.
Bereits im Februar unterhielten wir uns bereits schoneinmal mit Christopher Haase, das Interview lest ihr hier.
Weitere Informationen zu Christopher Haase findet ihr auf seiner offiziellen Facebookseite bzw. auf seiner Website.
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