Wir sprachen mit dem Audi Sport customer racing-Piloten Christopher Haase. Der Deutsche spricht über seine Zeit im GT1-Bereich und über den Umstieg aus dem Dacia Logan Cup in das ADAC GT Masters. Zudem vergleicht er die verschiedenen GT-Fahrzeuge aus dem Hause Audi. Schlussendlich verrät Haase, was ein Reisebus mit seinem verrücktesten Motorsporterlebnis zu tun hat.
Was bezeichnest du als dein bestes Rennen in deiner Motorsportkarriere und wieso? Und was sind deine schönsten Erinnerungen an deine Karriere?
Immer eine schwierige Frage, da waren schon einige gute Rennen, wo ich sagen würde, das waren 100%. Jedoch heißt das nicht automatisch, dass man dann auch bei so einem Rennen automatisch gewinnt. Aber eins bei dem ich dann tatsächlich auch gewinnen konnte, war das 24h Rennen von Spa 2017. Dieses Rennen hatte es in sich! Als Team haben wir alle Fassetten des Motorsports erlebt. Während des Rennens und in der Vorbereitung – positives und negatives. Im Rennen hatten wir zum Beispiel recht früh ein Problem mit einem Rad und dadurch 2 Runden verloren. Aber der Team Spirit unseres Audi Sport Team Sainteloc hat jeden Einzelnen dann „jetzt erst recht“ dazu motiviert in jeder einzelnen Sekunde des Rennens 100% zu geben. Die Jungs von Audi Sport und vom Team Sainteloc haben im Hintergrund die Strategie von Sektor zu Sektor korrigiert und angepasst, wir Fahrer haben wie üblich jede Runde als „Qualirunde“ gesehen und versucht dabei keinen Fehler zu machen. Zu Beginn des Morgens waren wir schon recht erledigt, aber dann geht es bekannterweise erst richtig los. Ich kann mich an meinem letzten Stint zur Zielflagge noch sehr gut erinnern. Ich hatte den Bentley im Nacken, es war heiß und das Trinksystem defekt. Je nach Verkehr, war der Bentley oder ich, etwas schneller, aber im Schnitt recht ähnlich. Jeder von uns wusste, ein Fehler und es ist vorbei. Und dann haben wir es doch geschafft, den Sieg. Das ist ein unglaubliches Gefühl gewesen: im Auto, in der Box und an der Strecke mit all den Fans. Die ersten zwei Stunden nach dem Zieleinlauf konnte ich leider nicht sehr genießen, da war die Erschöpfung einfach zu groß. Aber zu wissen was man selbst und was das Team geleistet hat hält bis heute an und macht mich glücklich.
Wo es Höhen gibt, gibt es auch Tiefen. Was ist, deiner Meinung nach, dein Tiefpunkt in deiner Karriere gewesen?
Eine Frage die ich persönlich auch als recht schwierig zu beantworten finde. Denn was ist ein Tief? Ist ein Tief etwas in das man sich hineinziehen lässt? Oder ist ein Tief etwas bei dem der Sportler evtl. gerade nicht das leisten kann, weil er z.B. durch andere äußere Einflüsse einfach nicht mehr herausholen kann? Gerade das wäre ja dann nicht wirklich ein Tief vom Sportler selbst. Es kochen alle mit Wasser. Du kannst nicht jedes Jahr gewinnen. Im Motorsport treffen immer verschiedene Einflüsse auf den Sportler die der Sportler an sich oft selbst nicht beeinflussen kann, zumindest nicht zu dem Zeitpunkt bei dem es direkt gebraucht wird. Ich habe sicherlich für mich selbst auch das ein oder andere Tief erlebt, und dann musst du ehrlich zu dir selbst sein und es erkennen. Dabei kann dir niemand helfen. In diesem Moment bist auch nur du selbst dazu in der Lage da herauszukommen bzw. versuchen dir ein evtl. Leistungstief im Nachgang zum Vorteil zu machen.
Was sind die Top 3 an deinen Rennstrecken, die du bereits selbst befahren hast? Und was zeichnen diese deiner Meinung nach aus?
Es gibt sehr viele schöne Rennstrecken. Und um ehrlich zu sein, viele davon befinden sich in den USA. Aber ganz klar: 1. Nürburgring Nordschleife, der Mythos, die ultra lange Strecke, der hohe Speed, die Anforderungen an Mensch und Maschine, das gibt es so kein zweites Mal auf der Erde. 2. Spa, ebenfalls die lange Tradition, die weltbekannte Eau Rouge, und der Fakt, dass dort auch die F1 gastiert. 3. Road America: Zu meiner USA-Zeit hat mich diese Strecke besonders geprägt, eine recht lange Strecke mit allen Kurvenvarianten die ein Rennfahrer gerne hat. Dort gibt es nur eine Linie, hast du die gefunden wird dich so schnell niemand einholen.
Was ist das Kurioseste, was du bislang in deiner Karriere auf der Rennstrecke erlebt hast?
Ein Reisebus mit Zuschauern auf der Strecke, bei der Super GT in Suzuka, während dem Warm-up.
Viele Rennpiloten überbrücken die Coronazeit mit Simracing. Wie sieht es bei dir aus? Nimmst du auch an solchen Veranstaltungen teil und fährst in deiner Freizeit virtuelle Rennen?
Ja das Simracing habe ich bisher meist nur genutzt um unbekannte Strecken zu lernen. Aber in der jetzigen Zeit habe ich ebenfalls angefangen es etwas seriöser zu handhaben. Ich bin vor kurzem mein erstes offizielles Rennen mit Car Collection SimRacing bei der DNLS gefahren. Und ja, ich hatte sehr viel Spaß und der Wettbewerb der dort stattfindet ist extrem hoch. Ich denke man wird mich wiedersehen, so einfach gebe ich mich nicht geschlagen. 🙂
Wie versuchst du ansonsten die Pause zu überbrücken, ehe es wieder mit dem Motorsport los geht?
Eine gute Zeit um Themen zu Hause abzuarbeiten, zu denen man vorher nicht so wirklich gekommen ist. Mein Training kontinuierlich auszuüben ist auch ein positiver Nebeneffekt, aber natürlich nur alleine, so wie es die Politik für richtig hält.
Viele Fans schwärmen heute noch von der GT1-Klasse. Du konntest selbst GT1-Fahrzeuge steuern – was sind deine Erinnerungen an diese Fahrzeuge?
Oh ja, diese Fahrzeuge vermisse ich auch. Das waren absolute Maschinen ohne „Helfer“. Zu dieser Zeit habe ich sehr viel gelernt. Gerade Carbonbremsen, wenn du es mal heraushast, wie du diese richtig benutzt, wirst du dir diese überall wünschen. Und der Motorsound von den GT1-Boliden war absolut einzigartig. Der von meinem flatex Lamborghini Murcielago aber ganz besonders. #V12
Audi bietet Kundensportmodelle in der GT2, GT3 und GT4 an. Konntest du bereits alle Fahrzeuge fahren? Wodurch charakterisieren sich die einzelnen Modelle? Und welches macht dir persönlich am meisten Fahrspaß?
Ja, ich durfte bisher alle Modelle fahren und mit entwickeln, alle machen richtig viel Spaß. Sie charakterisieren sich erstmal an dem Reglement was z.B. von der FIA gestellt wird. Alle haben ABS, TC und sind sehr gut in der Balance. Nur der GT2 und GT4 haben noch ein ESC am Start.
Der schnellste von den dreien ist der GT3. Mit recht hohem Abtrieb und vielen puren Motorsportteilen ist das ein reinrassiger Racer und ja, er ist mein persönliches Lieblingsgefährt 🙂 . Er ist schnell, hat Abtrieb, wodurch du in Hochgeschwindigkeitskurven richtig flott unterwegs bist, viele Setup Möglichkeiten, ist extrem robust und recht einfach zu fahren. Trotzdem hat das Auto noch fast 50% Serienteile an sich. Seine Erfolge sprechen für sich.
Der GT2 hat die meiste Leistung von allen, im Vergleich zum GT3 aber weniger Abtrieb, ist etwas schwerer und hat noch mehr Serienteile an sich. Wenn man bei ihm den Pitspeed ausmacht, weiß man direkt warum er GT2 heißt. Das schiebt schon ordentlich nach vorne 🙂 . Ein Auto, dass in erster Linie für den Gentleman-Fahrer gedacht ist. Es hat weniger Abtrieb, dass macht es für einen Amateur etwas einfacher näher an den Profi heran zu kommen. Das perfekte Auto um schnell Spaß zu haben und was recht einfach zu bedienen ist. Plug and Play. Leider dürfen wir Profis damit nicht an Rennen teilnehmen.
Der GT4 ist ein Einsteiger-Rennwagen in den GT Sport. Eine sehr wichtige Einstiegsvariante für den Nachwuchs. Er hat am wenigsten Abtrieb, etwas weniger Leistung als der GT3 und die meisten Serienteile, auch ist er der günstigste von den dreien. Das Auto macht ebenfalls sehr viel Spaß. Es wird auch von Gentleman- und Amateur-Fahrern gerne genutzt, da es eine recht ähnliche Charakteristik wie der GT2 bietet. Wenn ein Nachwuchspilot dort recht schnell ist, dann ist er in der Regel auch im Audi R8 LMS GT3 von Beginn an recht gut unterwegs. Mit dem ESC, das der GT4 und auch der GT2 besitzt, lässt sich ein Fehler auch mal schnell kaschieren.
Du bist 2007 direkt aus dem Dacia Logan Cup in das ADAC GT Masters eingestiegen. Wie schwer fiel dir die Umstellung vom Markenpokalfahrzeug mit 90 PS auf einen GT3-Boliden?
Die Leistung hast du nach drei Runden drin und hast es abgehakt. Die Bremse allerdings lässt die Augen größer werden 🙂 . An die Bremse und an den anderen Fahrstil muss man sich gewöhnen. Wobei es mir nach ca. zehn Runden dann schon sehr gut gefallen hat und die Zeiten auch ziemlich gut waren. Mir fiel es also nicht soooo schwer.
Du fuhrst in diesem Jahr schon die 24h Dubai und die 12h Bathurst. Macht dies für dich die Zwangspause schlimmer, da du schon einige Rennkilometer absolviert hast, oder denkst du, dass das für jeden Rennfahrer „gleich schlimm“ ist?
Als GT Fahrer ist man da sicherlich in einer recht guten Position. Wir fahren so viele Rennen, dass eine solch lange Pause sicherlich nicht schön ist, aber verkraftbar ist. Ich glaube, wenn du im Jahr nur zwischen 10 und 15 Rennen fährst, wie z.B. in der DTM oder anderen Cups, dann ist eine solche lange Pause bestimmt eine größere Challenge. Denn „Routine“ ist durch nichts zu ersetzen, auch nicht mit Fitnesstraining. Und den Wettbewerb suchen wir ja alle.
Wer weitere Informationen zu Christopher Haase erhalten möchte, dem empfehlen wir einen Blick auf seine offizielle Facebookseite und auf seine Webseite.
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