Hans-Jürgen Abt im ausführlichen Interview zu 25 Jahren ABT Sportsline in der DTM und Kritik an Audi.
Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie die drei Buchstaben „DTM“ hören?
Hans-Jürgen Abt: „Die DTM war und ist die wichtigste Meisterschaft im deutschen Motorsport, die tolles Racing bietet und viele Fans anlockt. Wir haben uns in der DTM als Team von Anfang an wohlgefühlt und seit 2000 jede Menge Pokale geholt, zahlreiche Rennen und Meisterschaften gewonnen. Wir sind jetzt seit 25 Jahren dabei und stolz, eines der erfolgreichsten DTM-Teams zu sein.“
Wie ist vor 25 Jahren die Idee entstanden, in die DTM einzusteigen?
Hans-Jürgen Abt: „Eigentlich aus der Not heraus. 1998 waren wir Audi-Werksteam in der STW (Supertourenwagen-Meisterschaft, Red.). Als sich Audi entschieden hat, im großen Stil nach Le Mans zu gehen, haben wir als Privatteam in der STW weitergemacht. Plötzlich gab es die STW nicht mehr. Das heißt, wir hatten ein professionelles Team aufgebaut, aber kein Betätigungsfeld mehr. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion ist das TT-Konzept entstanden. Mit einem einzigen Blatt Papier und einer Zeichnung haben wir uns bei der ITR (DTM-Dachorganisation bis 2020, Red.) beworben. Es war gar nicht so einfach, überhaupt eine Startgenehmigung in der DTM zu bekommen.“
Zunächst war es ein Wettlauf gegen die Zeit, überhaupt beim ersten Rennen in der DTM am Start zu stehen, oder?
Hans-Jürgen Abt: „Ja, das war verrückt. Wir haben in 100 Tagen ein Auto gebaut. Das würde es heute in dieser Form nicht mehr geben. Wir haben es letztendlich geschafft, die Autos fertigzubekommen und den Roll-out in Hockenheim zu machen – am Rennwochenende! Nur um erst einmal festzustellen, dass wir relativ weit weg von der Pace waren. Aber diese Herkulesaufgabe hat uns alle zusammengeschweißt und ein Team mit dieser einzigartigen DNA hervorgebracht.“
Am Anfang wurde ABT Sportsline belächelt, aber das Lachen ist den Wettbewerbern schnell vergangen: erste Punkte in der ersten Saison, der erste Sieg in der zweiten und der Meistertitel in der dritten.
Hans-Jürgen Abt: „Als Team waren wir mit unseren gelben Autos – und später auch den blauen – von Anfang an sehr beliebt bei den Fans. Es gab große ABT Fahnenmeere. Die Fahrer haben sich dafür geopfert, das Auto von Wochenende zu Wochenende zu verbessern. Auch das Engagement der Mechaniker war unglaublich. Opel haben wir irgendwann überholt und dann mit Mercedes um Siege gekämpft.“
Ein ganz besonderer Sieg gegen Mercedes war sicher 2002 auf dem Norisring, als Laurent Aiello Bernd Schneider in der letzten Kurve überholt hat?
Hans-Jürgen Abt: „Das war natürlich das Ober-Highlight. Der Bernd war damals ganz schön angefressen. Er war ‚Mister DTM‘, der beste und erfolgreichste DTM-Fahrer aller Zeiten. Ihn so zu schlagen ist nur Aiello gelungen. Der hat ihn in der letzten Kurve ausgetrickst. Bernd meinte, eine gelbe Fahne gesehen zu haben. Aber da war keine, höchstens eine gelbe ABT Fahne. Der Norisring ist unser Heimrennen und dort zu gewinnen war schon immer besonders schwer. Es war einer der wenigen Audi-Siege auf dem Norisring, der uns sehr viel Aufmerksamkeit beschert hat. Solche Rennen gibt es nur selten.“
Nach einer langen Zeit als Werksteam ist ABT Sportsline in der DTM nun wieder als Privatteam aktiv. Wie finden Sie das?
Hans-Jürgen Abt: „Ich bin sehr glücklich, dass wir wieder unsere eigenen Wege gehen und alles im Team selbst entscheiden können. In den letzten Jahren der Werksdynastie konnten wir ja nicht einmal mehr an unseren eigenen Setups arbeiten. Alles war gläsern. Wenn wir etwas geändert haben, wussten das auch die anderen Teams von Phoenix und Rosberg. Unser einziges Asset waren am Ende eigentlich noch die Boxenstopps. Das war nicht mein Anspruch. Es ging nur noch um das Auto und die Marke. Schon im vierten Rennen wurde festgelegt, auf welchen Fahrer man setzt. Für mich war das nicht mehr real racing, wie wir es heute wieder haben: kämpfen, Spaß haben und auf der Strecke etwas riskieren.“
Die DTM als Privatteam zu stemmen geht aber nicht ohne starke Partner. Welche Rolle spielt Sportmarketingchef Harry Unflath dabei?
Hans-Jürgen Abt: „Harry ist einzigartig und ein Teil der Familie. Er hat den Motorsport bei ABT Sportsline gemeinsam mit mir von klein auf aufgebaut. Er hat damals auch Michael Beck von Hasseröder überzeugt, mit uns in die DTM zu gehen, sonst hätten wir das alles gar nicht geschafft. Selbst für Audi hat Harry später die Partner besorgt. Er ist der wichtige Mann im Hintergrund und versucht, die Partner in die Familie zu integrieren. Seine Strategie und sein Netzwerk sind einmalig.“
Mit Laurent Aiello, Mattias Ekström und Timo Scheider haben drei Fahrer für ABT Sportsline die DTM gewonnen. Wie sehen Sie die drei?
Hans-Jürgen Abt: „Laurent Aiello war ganz wild. Er war damals in der Szene der absolute Superstar mit seiner besonderen Art und Weise. Er war aber auch sehr familiär und ist deshalb so gerne bei uns gefahren. Er hat in seiner eigenen Welt gelebt, aber uns als Firma sehr viel gebracht. Wenn Leistung abzuliefern war, war er da. Er hat uns eigentlich erst dahin gebracht, wo wir heute sind. Dann kam Mattias Ekström, auch ein sehr starker Charakter. Er kam damals als kleiner Bub zu uns und hat sich das DTM-Cockpit mit Leistung erkämpft. Über viele Jahre war Mattias für uns, was Bernd Schneider für Mercedes war. Wir haben uns gegenseitig vertraut und auch heute noch ist Mattias überall, wo er fährt, erfolgreich. Timo Scheider wollte immer bei uns fahren und hat mit allen Mitteln versucht, zu uns ins sogenannte A-Team zu kommen. Ab dem Tag, an dem er bei uns war, war er sehr schnell und ist zweimal Meister geworden. Ich denke, alle drei sind heute froh, dass sie bei uns gefahren sind. Sie können uns auch etwas dankbar sein, dass wir einen Beitrag zu ihren Karrieren geleistet haben.“
Aktuell starten Kelvin van der Linde und Ricardo Feller für ABT Sportsline in der DTM. Ihre Meinung über die beiden?
Hans-Jürgen Abt: „Kelvin ist von der Performance her einer der besten im DTM-Fahrerlager und auch den Grundspeed von Ricardo schätze ich sehr. Beides sind starke Charaktere. Aber ich habe sie lieber in einem Team und handle sie, als dass sie gegen uns fahren würden. Wir sind mit beiden super aufgestellt und ich hoffe, dass sie noch lange für uns fahren.
Mit Martin Tomczyk ist ein ehemaliger DTM-Fahrer von ABT Sportsline nun Motorsportdirektor. Wie schlägt er sich?
Hans-Jürgen Abt: „Sehr gut, finde ich. Natürlich braucht jeder seine Zeit. Es ist ja gar nicht so einfach, Teamchef zu sein mit so vielen starken Persönlichkeiten in der Mannschaft. Ich finde, er macht das gut, bringt Ruhe rein und ist ja auch erfolgreich.“
Der heutige CEO von ABT Sportsline, Thomas Biermaier, hat seine Laufbahn bei ABT Sportsline in der DTM begonnen. Erinnern Sie sich daran?
Hans-Jürgen Abt: „Das war damals ein sogenannter ‚Edelpraktikant‘, den Harry Unflath mit ins Haus gebracht hat. Er ist durch seine Größe aufgefallen und hat sich von Anfang an sehr engagiert. Er wollte etwas in der DTM machen und so hat er den Job bekommen, als Praktikant in der DTM die Reifen zu waschen. In Amerika sagt man ‚Vom Tellerwäscher zum Millionär‘. Thomas hat es vom Reifenwäscher bis an die oberste Spitze von ABT Sportsline gebracht. Er genießt mein volles Vertrauen. Er hat einen mega Instinkt, wie man ein Rennteam oder eine Firma führt.“
Nach 25 gemeinsamen Jahren mit Audi in der DTM droht das Ende dieser Partnerschaft. Verstehen Sie die Entscheidung von Audi, das Kundensport-Programm einzustellen?
Hans-Jürgen Abt: „Ich kann mich mit dieser Firmenpolitik nicht identifizieren und würde mir wünschen, dass der aktuelle Audi-Vorstandsvorsitzende Gernot Döllner das noch einmal überdenkt. Kundensport ist ein Geschäftsmodell und mit relativ geringen Mitteln machbar. Noch dazu boomt er. Audi hat mit seinen Erfolgen weltweit über viele Jahre Kunden angesprochen und glücklich gemacht. Und dann kippt man so etwas. Ich glaube, dass das den Kunden überhaupt nicht gefällt und sie im schlimmsten Fall zu Mitbewerbern wie BMW oder Mercedes abwandern. Die wieder zurückzuholen kostet mehr Geld, als die Abteilung am Leben zu halten.“
Für ABT Sportsline ist die DTM aber weiter wichtig?
Hans-Jürgen Abt: „Natürlich. Wir sind ein innovatives Unternehmen. ‚Von der Rennstrecke auf die Straße‘ ist unser Slogan. Wir wollen den Leuten zeigen, dass wir gute Arbeit leisten, technisch versiert und zuverlässig sind. Durch den Motorsport kann man Vertrauen in unsere Produkte aufbauen. In der DTM beweisen wir unsere technische Kompetenz.“
Wie sehen Sie die Zukunft der DTM?
Hans-Jürgen Abt: „Der ADAC war früher Partner der DTM, seit dem vergangenen Jahr ist er Promoter und macht seinen Job meiner Meinung nach ganz gut. Wichtig ist, auf CO2-Reduktion durch nachhaltige Technologien, etwa beim Kraftstoff, zu setzen, um sich in Zukunft nicht angreifbar zu machen. Gleichzeitig sollte man die Teams stärken, damit sich diese langfristig engagieren, ohne zu sehr von den Herstellern abhängig zu sein. Formel 1 und MotoGP zeigen, wie ein Geschäftsmodell für Promoter, Veranstalter und Teams funktionieren kann. Da müssen wir mit der DTM in Deutschland auch hin. Ich finde es genau richtig, sich auf den deutschen Markt zu konzentrieren, mit ein paar Rennen in benachbarten Ländern. Das Interesse der Fans ist da. Die Zuschauerzahlen steigen und auch die TV-Quoten sind sehr ordentlich. Wenn der ADAC hart daran arbeitet, hat die DTM eine gute Chance, für die Zukunft gut aufgestellt zu sein.“
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