Im Anschluss an die 12h Nürburgring wurden in sozialen Netzwerken und klassischen Medien Stimmen laut, in denen verschiedene Vorkommnisse im sportlichen Ablauf beim Saisonhöhepunkt der Nürburgring Langstrecken-Serie kritisiert wurden. Im Interview nimmt Ralph-Gerald Schlüter, Geschäftsführer VLN Sport GmbH & Co. KG, Stellung und erläutert zur besseren Transparenz einige Aspekte und Abläufe.
Nach den 12h Nürburgring wurde – vor allem in den sozialen Netzwerken – Kritik an der Rennleitung geäußert. Wie geht die VLN damit um?
Wir nehmen jede Form von Kritik seitens unserer Kunden – den Teilnehmern – sehr ernst. Ist sie konstruktiv, reflektieren wir die Situation und schauen, was wir in Zukunft besser machen müssen. Wenn Fehler passieren – und das ist nur menschlich – ist unser Ziel daraus zu lernen und diese künftig zu vermeiden.
Der Rennleitung wird vorgeworfen, sie würde bestimmte Zwischenfälle nicht hart genug bestrafen. Stimmt das aus Deiner Sicht?
Wenn es um die Härte von Bestrafungen geht, gibt es immer mehrere Sichtweisen. Das ist vergleichbar mit dem Schiedsrichter beim Fußball. Wird eine Rote Karte gezeigt oder ein Elfmeter gegeben, gibt es immer den Teil, der das richtig findet, genauso aber auch die, die anderer Meinung sind. Die Auslegung von Regeln ist nicht selten umstritten.
Das, was uns vorgeworfen wird – zu wenige Strafen auszusprechen – wird von anderen Teilnehmern gegenteilig kritisiert. Da hört man oft, dass nicht jede Berührung zwischen Fahrzeugen zu einer Strafe führen solle. Die Thematik ist nicht nur hochkomplex, sondern auch stets sehr individuell in der Wahrnehmung.
Fakt ist aber, dass wir nichts unter den Teppich kehren. Wenn ein Vorfall von den Sportwarten oder den involvierten Teilnehmern gemeldet wird, geht die Rennleitung dem genauso nach, wie wenn er in den TV-Bildern zu sehen ist. Das ist sehr zeitaufwendig und die Untersuchungen gehen teilweise weit über das Rennenende hinaus.
Was tut die VLN, um das Miteinander auf der Rennstrecke zu verbessern?
Auf der einen Seite schauen wir uns nach jedem Rennen problematische Situationen im Kreis der Verantwortlichen genau an. Wir bewerten intern stets, wo man Abläufe verfeinern kann und wo wir als Rennleitung noch besser werden können. Aktuell hat uns auch eine Umfrage, die wir kürzlich an Teams und Fahrern gerichtet haben, viel Input geliefert, den wir nun verarbeiten.
Auf der anderen Seite haben wir bei NLS4 zu einer für alle Fahrer verpflichtenden Fahrerbesprechung geladen, um genau das Thema „Verhalten auf der Rennstrecke“ erneut zu thematisieren und zum wiederholten Male an Fairness und Sicherheit zu appellieren. Auch wenn die Fahrer auf der Strecke Kontrahenten sind, sollten alle am Ende im Sinne des Sports vielmehr miteinander als gegeneinander agieren.
Ein konkreter Vorfall ist ein Überrundungsmanöver eines Audi R8 mit einem Toyota GT86 bei NLS6. Ein drittes Team hat dazu im Anschluss an das Rennen eine Onboard-Aufnahme veröffentlicht, die rege Diskussionen entfachte. Wie wurde dieser Vorfall in der Rennleitung bearbeitet?
Die Kollision wurde von den Sportwarten der Streckensicherung am Samstagnachmittag an die Race Control übermittelt. Uns lagen Informationen von dem Streckenmarshall vor und Onboard-Aufnahmen, die uns zur Verfügung gestellt wurden. Im Anschluss wurde der Audi-Fahrer befragt. Die Rennleitung ist der Auffassung, dass es sich nicht, wie durch andere dargestellt, um eine aggressive Fahrweise handelte. Kurz gesagt, der Audi-Fahrer wollte den Toyota weder abräumen, noch über den Grünstreifen überholen. Daher hat die Rennleitung entschieden, hier keine Strafe auszusprechen, den Fahrer aber zu ermahnen. Außenstehende, die sich nur ein Bild anhand von Videoaufnahmen machen und nicht mit den Betroffenen gesprochen haben, kommen unter Umständen zu einer anderen Bewertung des Vorfalls. Für eine Sachrichterentscheidung der Rennleitung anhand einer Videoaufnahme ist es oftmals notwendig, neben den Aussagen der Fahrer auch eine zweite Aufnahme aus einem anderen Fahrzeug zu sichten. Nicht selten ergibt das eine andere Sicht auf das Geschehen.
Wurden bei den 12h Nürburgring Strafen aufgrund von rüder Fahrweise ausgesprochen?
Ja. Es gab zum Beispiel einen Vorfall, den die Rennleitung an die Sportkommissare weitergegeben hat, weil sie nach der Analyse aller zur Verfügung stehenden Informationen und Bilder zu dem Schluss gekommen war, dass es sich um eine vermeidbare Kollision aufgrund von aggressiver Fahrweise handelte. Die Sportkommissare haben ihrerseits den Vorfall bewertet und eine Strafe ausgesprochen.
Es gibt, wie bei Sachrichterentscheidungen in vielen anderen Sportarten, einen Ermessensspielraum, der allerdings nicht mit Willkür oder persönlichen Vorlieben gleichzusetzen ist. Da widerspreche ich ausdrücklich. Alle Entscheidungen der Rennleitung und der Sportkommissare sind transparent im Official Notice Board jeder NLS-Veranstaltung im Teilnehmerbereich unserer Webseite unter teilnehmer.vln.de einsehbar.
Im Anschluss an die Veröffentlichung des Onboard-Videos gab es dann in einem Online-Magazin einen Artikel, der weitere, angebliche Verfehlungen der Rennleitung thematisierte…
Auch diese Fälle haben wir hinterfragt – sie waren uns ja zu einem großen Teil bereits bekannt. Zusammenfassend kann man hier sagen, dass diejenigen, die von einer Strafe betroffen sind, dies oftmals anders sehen. Der Unmut lädt sich schnell auf der Rennleitung ab.
Auch hier möchte ich ein Vorkommnis von NLS6 zur Erläuterung heranziehen. Nach dem Restart am Sonntagmorgen wurde am Ende der Boxengasse fälschlicherweise die Ampel auf Rot geschaltet. Teams, die am Ende der Einführungsrunde zum Reifenwechsel an die Box kamen, konnten erst ins Rennen zurückkehren, als das komplette Feld vorbeigefahren war. Wir haben den Fehler erkannt und schnell eine Lösung gefunden. Für jedes betroffene Fahrzeug wurde eine individuelle Zeitgutschrift errechnet. Das war im laufenden Rennbetrieb ein aufwändiger Prozess. Um 14:40 Uhr wurden die entsprechenden Zeitgutschriften in den Entscheidungen der Sportkommissare im Official Notice Board für jedermann einsehbar veröffentlicht. Die Teams, die durch die rote Ampel benachteiligt waren, haben die Rennleitung für die faire und unkomplizierte Korrektur ausdrücklich gelobt. Die Teams, die das Official Notice Board nicht beachtet haben und dadurch glaubten, eine andere Position im Rennen inne zu haben, die sie am Ende durch die Zeitgutschrift verloren, waren zum Teil erzürnt.
Das liegt glaube ich in der Natur der Sache, zeigt aber deutlich, dass es immer zwei Seiten der Medaille gibt. Ich bin selbst viele Jahre Rennen gefahren und kann beide Seiten verstehen. Der Unterschied zwischen damals und heute ist, dass das früher untereinander besprochen wurde – von Fahrer zu Fahrer – und nicht über Facebook & Co.
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