Gegenüber der just race erklärte Valentino Rossi, warum er sich für ein Programm mit dem belgischen Topteam WRT entschieden hat.
Valentino Rossi war der Superstar der Motorrad-Weltmeisterschaft. Kein Wunder also, dass er über Jahrzehnte nicht aus der MotoGP wegzudenken war. 2021 ist es dann dennoch passiert: Der Italiener gab nach 26 Jahren im Grand Prix-Zirkus sein Karriereende bekannt. Doch ganz vom Motorsport verabschieden, wollte sich der neunmalige Motorrad-Weltmeister trotzdem nicht – wenig überraschend wechselte er in den Automobilsport, genauer gesagt ins GT3-Segment. Doch das Team, das der „Doktor“ – so der allseits verwendete Spitzname – wählte, sorgte durchaus für eine Überraschung: Seit 2022 gehört er zum Aufgebot des Audi-Kundenteams WRT. „Ich musste eine Entscheidung treffen. Ich habe zuvor schon GT-Rennen bestritten, doch das war vereinzelt am Saisonende. Damals war mein Hauptjob noch das Motorrad fahren. Das ist jetzt anders“, erzählt Rossi. 2022 steht er im Rahmen der GT World Challenge Europe mit einem deutschen und nicht, wie viele erwartet hatten, mit einem italienischem Hersteller am Start. Doch wie kam es dazu? „Ich habe Valentino einfach kontaktiert. Ich wusste natürlich, dass viele Teams Interesse an ihm haben. Ich habe einfach mein Glück versucht“, erklärt WRT-Teamchef Vincent Vosse. Was folgte, war ein erstes Gespräch, bei dem sich beide gleich sympathisch waren und dann ein Besuch auf der berühmten Motor Ranch in Tavullia, dem Firmensitz der Marke „VR46“. „Vincent kam mit einem ganz klaren Plan zu mir. Er wollte mit mir arbeiten und hat mir erklärt, wie die Zusammenarbeit Schritt für Schritt aussehen kann. Darüber hinaus ist die Mannschaft in der Serie eines der Topteams. Diese beiden Dinge haben mich am Ende überzeugt“, verrät Rossi.
Dass in der GT-Welt lange Zeit erwartet wurde, dass der 43-Jährige wieder in einem Ferrari Platz nimmt, kommt nicht von ungefähr. Bereits während seiner aktiven Zeit als Motorrad-Rennfahrer trat er bei ausgewählten GT3-Läufen mit Kessel Racing an. Die Schweizer sind seit Jahrzehnten nicht nur Händler von Ferrari, sondern eines der größten Einsatzteams der Marke aus Maranello. Gemeinsam folgten erste Erfolge, etwa der dritte Platz bei den 12 Stunden von Abu Dhabi im Jahr 2019. Allererste Erfahrungen sammelte der Italiener jedoch deutlich früher: Seinen ersten Start verzeichnete er 2012 in der damaligen Blancpain Endurance Series – viele Jahre und Namensänderungen später ist er zurück in der Meisterschaft.
Der Weg dahin war jedoch von allerhand Gerüchten geprägt, viele Serien und Veranstalter wollten den Superstar unter ihre Fittiche nehmen. Einer von ihnen war Gerhard Berger, der Rossi mit all seiner Bekanntheit nur zu gern in der DTM gesehen hätte – die italienischen Hersteller standen ebenso parat. Doch auch Teams in anderen Championaten, etwa in der Langstrecken-Weltmeisterschaft, liebäugelten mit dem Piloten. Dass der Ex-Motorradrennfahrer von der Teilnahme am 24-Stunden-Rennen in Le Mans träumt, ist kein Geheimnis. Eine Verlängerung der Zusammenarbeit mit Kessel Racing galt damit beinah als logisch. Immerhin ist die Mannschaft seit vielen Jahren in der Le Mans-Szene verwurzelt.
Doch aus all dem wurde vorerst nichts – die GT World Challenge Europe ist dank WRT Nutznießer der unglaublichen Berühmtheit des neuen Audi-Piloten. „Egal wo Valentino ist, er zieht die Blicke auf sich. Auch der GT World Challenge hat er einen großen Schub an Aufmerksamkeit gebracht“, ist sich Vosse bewusst. „Aus diesem Grund haben wir ihn aber nicht engagiert. Meine treibende Kraft war die Leidenschaft für den Motorsport. Zu dem bringt Valentino frische Energie und neue Ideen in die Mannschaft ein.“ Wie anziehend die Marke „VR46“ ist, zeigt ein Blick in die Zuschauerzahlen der SRO-Meisterschaft. So verfolgen nicht nur mehr Zuschauer die Livestreams, in Misano waren auch die Tribünen plötzlich prall gefüllt. Blieben die Zuschauerränge in den vorherigen Jahren meist leer, pilgerten in diesem Jahr – laut Veranstalter – 18.000 Zuschauer an die Rennstrecke bei Rimini. Und mit ihnen steigt auch das Interesse der Medien an der Serie. So tummelten sich in Italien auch Journalisten im Media Center, die sonst nur über die Ergebnisse des MotoGP-Zirkus berichten.
Und zu berichten, gibt es einiges – auch aus sportlicher Sicht. Gemeinsam mit Nico Müller und Frédéric Vervisch macht Rossi Rennen für Rennen Fortschritte – wobei er mit Sicherheit auch vom Know-how seiner neuen Teamkollegen profitiert. „Fred und Nico bringen eine gute Mischung aus Speed und Erfahrung mit. Sie sind die passenden Partner für Vale in seinem ersten Jahr“, ist sich Vosse sicher. Und die Ergebnisse sprechen für sich: So holte das Trio beim Rennen auf dem Circuit Paul Ricard mit Position fünf sein bestes Saisonergebnis im Endurance Cup.
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