Der Circuito de Jerez Angél Nieto, so seine komplette Bezeichnung, war bis 1997 Austragungsort der Formel 1 und auch heute noch fährt dort das eine oder andere internationale Rennen auf vier wie auf zwei Rädern. So am vergangenen Wochenende auch die GT Winter Series mit einem üppig besetzten Starterfeld. Dabei zeigte sich so manche Überraschung und es fielen ein paar Meisterschafts-Vorentscheidungen.

Qualifying
Im morgendlichen Qualifying war es noch kalt. Naja, kalt für Andalusische Verhältnisse, denn 12 Grad erschienen frisch im Vergleich zu den 22 Grad, die es unter dem blauen Jerez-Himmel am Nachmittag hatte. Wenig überraschend stellte Olimp Racing seinen Vorzeige-GT3 auf die Pole Position, sie mussten sich allerdings zunächst Michael Joos im 991 GT3 R erwehren, der beherzt aufgeigte und das Zeitentableau lange Zeit anführte. Karol Basz legte mit einer 1:40,8 nach und schnappte die Pole. Sehr zum Leidwesen von Joos, denn Basz holte die Zeit während einer Runde, in der in einem Sektor gelb geschwenkt wurde. Das blieb jedoch für Basz folgenlos, da er nachweislich an der Stelle der gelben Flagge Gas weggenommen hatte. Also blieb die Pole bestehen. Das Ganze übrigens nicht auf dem zuvor gewohnten Audi oder Ferrari. Basz fuhr diesmal AMG und konnte zeigen, dass er auch auf diesem Gerät seinen üblichen Speed gehen kann. Qualy 2 dominierte Joos problemlos, während sich Marcin Jedlinski auf ebendiesem Olimp AMG GT3 neben ihn in die erste Reihe schob.

Apropos GT3: das Porsche Zentrum 5 Seen aus der Nähe von München war mit eigenem Team angereist, um den bildschönen mattschwarzen 991 GT3 R einzusetzen. Jörg Dreisow zeigte mit P3, dass er´s kann. Unterstützt wurde er in der Endurance von Manuel Lauck.

Besonders stachen zwei weitere Piloten heraus. Markus Lungstrass auf dem racing one Aston Martin Vantage GT4 meisselte 1:48,997 in den Asphalt, während der bereits in Estoril begeisternde Oscar Löfquist aus Schweden seinen Porsche 992 Cup von Kjellin Motorsports in das Feld der GT3 und LMP3 bohrte und mit Abstand schnellster der Klasse Cup R war. Bei den M2 CS Racing war der Heimvorteil von JM de los Milagros aus dem Team BMW España unübersehbar. Nicht nur seine Linienführung unterschied sich merklich von anderen, auch seine Rundenzeit war die schnellste, die ein M2 an diesem Wochenende gedreht hatte.

Sprint Rennen 1
Beim Start zum ersten Sprintrennen setzt sich Basz in Führung und allmählich von Joos ab. Wenngleich dieser ordentlich mithält, aber lediglich auf einen Fehler Basz warten kann, ist er nie wirklich in Schlagdistanz, setzt sich aber seinerseits mindestens genauso schnell vom Rest des GT3 Feldes ab. Für beide war es bis zur Flagge ein eher einsames Rennen. Dahinter folgt schon bald „Oscar“ (Löfquist) mit seinem Cup-Porsche, gefolgt in Respektabstand von Ulrich Ziegler im HP-991.
Mit enormem Speed unterwegs war Markus Lungstrass im racing one Aston Martin. Er hielt sogar mit dem Feld der Cup-Porsches ordentlich mit, musste sich aber leider in der Spitzkehre von Stanislav Jedlinski abräumen lassen und humpelte zur Box – aus für ihn und Stoff für reichlich Diskussionen mit dem heissblütigen Jedlinski, der neben Lungstrass an diesem Wochenende noch weitere Opfer hervorbrachte.
Eine fantastische Figur gab Andreas Greiling ab. Der deutsche Privatier mit Wohnsitz in Marbella trieb seinen 718 GT4 CS nicht nur auf die Doppelpole seiner Klasse, sondern hielt sich im Rennen vor renommierten Grössen wie dem DRAGO-ZvO-AMG GT4 von Martin Toth mit der Startnummer 2.
BMW España übrigens hatte bereits im Vorfeld verkündet, Jerez als ihr Heimrennen zu betrachten – Fahrer wie Team verfügen auf dieser Strecke über besonders viel Erfahrung. Und in der Tat konnte Nerea Martí in Sichtweite zu M2-Ass Marchewicz (Schnitzelalm Racing) bleiben und hielt dabei so manch nominal stärkeres Auto aus den GT4 Klassen hinter sich! Schnitzelalm Racing war abermals mit drei BMW am Start aller Rennläufe.
Der lachende Gesamtsieger hiess übrigens nicht Basz, sondern Joos, da Basz unter gelb überholte und somit eine Zeitstrafe kassierte.

Sprint Rennen 2
Im zweiten 25-minütigen Sprint lief für Michael Joos alles nach Mass. Der Start-Ziel sieg war ihm nicht zu nehmen, Marcin Jedlinski folgte in seinen Spuren, aber mit wachsendem Abstand. Piotr Wira auf dem GoodSpeed AMG GT3 kam sichtlich in Fahrt und wurde hervorragender Dritter im Gesamten. Dass in Jerez die GTR Klasse mit gleich drei Porsche 991 GT3 R besetzt war, gab ein schönes Bild ab. Einer davon kam vom Porsche Zentrum 5 Seen, ein in der Nähe von München stationierter Betrieb, der für seine Rennsportgene bekannt ist. Fahrer Jörg Dreisow holte sich nicht nur Profi Manuel Lauck an Board, sondern kam auch selbst immer besser mit dem Boliden klar, er lieferte sich Duelle mit Klaus Horn im zweiten Joos-Auto und Uwe Lauer im bildschönen Die Biermacher. Racing-Ferrari 488 GT3. Mehr zum PZ 5 Seen im Endurance-Bericht.

Javier Ibran mit seiner LMP3-Flunder musste wegen eines Zwischenfalls im ersten Lauf leider von hinten starten, kämpfte sich aber wacker durchs Feld und schloss sogar auf P5 gesamt ab. Das war sehenswert!
Beinahe wäre man geneigt, die amtierenden Meister zu vergessen. Nicht, weil Robert Haub und Gabriela Jilkova unauffällig gefahren wären – im Gegenteil, sie haben dieses Wochenende alles gewonnen, was man in der GT4-Klasse nur abräumen kann, waren aber in ihrer Spitzenposition stets „einsam, aber schneller“. Daran änderte auch ein Kiesbett-Streifschuss von Haub in der vorletzten Runde nichts. Zwar kostete dieser die eine oder andere Sekunde, Haubs Puffer war aber gross genug, um den Sieg nicht zu gefährden. Sie robben sich mit ihrem DRAGO Racing ZvO AMG GT4 so langsam aber sicher wieder in Richtung Tabellenspitze vor und hoffen nun auf das Finale in Barcelona am 12. und 13. März 2022. Nicht minder beeindruckend übrigens der Auftritt von Moritz Gisy. Er beeindruckte ja bereits beim Rennen in Estoril, konnte aber nun in Jerez nicht nur seine Kampfstärke im Fight mit Josef Liska zeigen, sondern auch seinen schieren Speed, der ihm P4 in der stark besetzten GT4-Klasse einbrachte.
Überhaupt war in den GT4 eine Menge los. Newcomer David Henn, der sich selbst während der freien Trainingssitzungen noch ein wenig finden musste, griff vor allem im zweiten Sprint munter an, blieb dabei aber stets präzise und gewann den Kampf in seinem Pulk denkbar knapp in der letzten Runde. Darüber freute sich auch sein Team Burgmann Racing.
Im M2 CS Racing Cup verblies José de los Milagros nicht nur die klasseninterne Konkurrenz, sondern auch etliche GT4, was seine fahrerische Klasse ebenso unterstreicht wie seinen grossen Erfahrungsschatz in Jerez. Der Zuschauer erkannte mit blossem Auge, dass er hier und da andere Linien wählte, was sich von ihm offenbar in top Zeiten umsetzen liess. Der Klassensieg war ihm nicht zu nehmen.

Endurance
Bereits in der frühen GTWS-Saison war zu beobachten, dass in der Endurance oft andere Sieger produziert werden als während der Sprintrennen. Konstanz macht schnell, Teamwork ebenso. Auch in Jerez sollte sich das nicht ändern.
Beim Start zur 45-Minuten-Endurance am andalusischen Spätnachmittag schien Startfahrer Manuel Lauck im PZ 5 Seen 991 GT3 R zu „vergessen“, dass es sich um ein Langstreckenrennen handelt, so beherzt überholte er am Start gleich zwei Konkurrenten (Jedlinski/Basz und Joos/Horn) im Millimeterabstand und setzte sich mit chirurgischer Präzision in Führung. Joos liess gewähren und richtete sich auf P2 abwartend ein, hörte aber nie auf, Druck aufzubauen.
Ziegler und Assfalg waren im HP Racing Cup-Porsche 991 unschlagbar und sahnten den Sieg in der Cup-Klasse ab, allerdings in Abwesenheit des 992-bestückten Oscar Löfquist. Auf P2 der Klasse der Cup-Porsche vom PZ5 Seen, in dem übrigens neben dem GTWS-Rookie Christian Kindsmüller der PZ-Chef selbst sass, Franz Wörle. Dass er nach eigenen Aussagen seit Jahren kein Rennen mehr gefahren sei, war ihm nicht anzumerken.
Eine Safety Car Phase um Rennmitte herum machte das Geschehen für die Teams zur kreativen Aufgabe, bot aber auch etliche Chancen. So brachte BMW España das Kunststück fertig, mit ihrem M2 CS Racing auf den sechsten(!) Gesamtrang der Endurance zu fahren, mitten im Feld der Cup R Boliden und noch vor allen GT4! Der Jubel war ebenso gross wie verdient.
Eine bemerkenswerte Teamleistung legte auch das Gespann Verkerk/Verkerk aus den Niederlanden hin, die mit ihrem RFF Racing Cayman GT4 ihre Cup S Klasse dominierten und nur eine handvoll Sekunden hinter dem prächtig angasenden Aston Martin von racing one (Lungstrass/Pedersen) landeten.
Angemerkt sei zudem, dass Karsten Krämer Racing gleich mit mehreren Cayman GT4 am Start war und ihre Autos bei allen Rennen in spannende Kämpfe verwickelt wurden, welche bei aller Spannung aber stets sauber blieben.

Finale in Barcelona entscheidet die Meisterschaft
Für das grosse Finale am 12. und 13. März in Barcelona könnten die Voraussetzungen spannender kaum sein. Schliesslich wird nicht nur die Meisterschaft bei diesem Lauf entschieden, sondern auch die Frage erörtert, welche Fahrerpaarung auf der Formel 1 Strecke die stärkste ist. Während der Promotor Gedlich Racing zu Protokoll gibt, bei den Einschreibungen inzwischen in Richtung 40 Autos zu gehen, laufen die Anmeldungen munter weiter. Wieder wird eine Armada an GT3 Fahrzeugen erwartet und wieder gilt Olimp Racing als einer der Favoriten, muss sich aber vorsehen, sich nicht erneut durch fahrerverschuldete Ausfälle selbst um Punkte zu bringen.

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