Nicht weniger als 27 Autos versammelten sich in Estoril, um die zweite Saisonveranstaltung der GT Winter Series 2021/2022 in Angriff zu nehmen und somit die ersten drei Rennläufe für das neue Jahr. Neben einem bunten Feld gab es vor allem Wettbewerbsdichte und überraschende Neuzugänge zu bestaunen. Aber auch „alte Bekannte“ traf man auf der Strecke wieder.
Qualy
Im morgendlichen Qualifying und auf noch kühlem Asphalt waren erwartungsgemäss Topzeiten möglich. Und so war es einmal mehr das Team Olimp Racing, das das Geschehen ganz an der Spitze dominierte. Sie traten gleich mit zwei Ferrari 488 GT3 an, die neben dem dritten Fahrzeug dieses Typs (Uwe Lauer, Die Biermacher Racing) eine echte Augenweide sind. So waren es Karol Basz und Krystian Korzeniowski, die die Pace setzten. Beide konnten mittlere 1:36er Zeiten hinlegen und somit sogar den bestens mit Estoril vertrauten Javier Ibran Pardo mit seinem Ligier LMP3 auf Platz 2 verweisen, welcher mit der ersten Startreihe dennoch sichtlich zufrieden war. „Gewonnen wird im Rennen“. so sein prägnanter Kommentar.
In der Cup-R Klasse fiel erneut Ulrich Ziegler mit seinem Porsche 991.2 GT3 Cup auf, der sichtlich zügig war und sich am Limit sehr wohl zu fühlen schien. Die beiden im Feld vertretenen 992 GT3 Cup (Sebastian Glaser und Oscar Löfquist) lieferten sich ein Fernduell, welches Oscar für sich entschied und somit aus Reihe 3 startete, nur unwesentlich langsamer (1:40,2) als der GT3-Ferrari von Uwe Lauer vor ihm.
Der „GT4 Schreck“ Theo Oeverhaus, welcher bereits beim Dezember-Lauf in Portimao alle Bestzeiten und Siege in der GT4 Klasse abräumte, war auch in Estoril nicht müde und peitschte seinen CV-AMG GT4 mit 1:43,291 an die Spitze der Klasse, konnte mit dieser Performance sogar zwei Cup-991 hinter sich lassen.
Sichtlich gut aufgelegt und hervorragend vorbereitet ging BMW España in das Event. Wenngleich Marcel Marchewicz von Schnitzelalm Racing mit seinem BMW M2 CS Racing die Benchmark blieb, so reichten die motivierten Spanier doch deutlich näher heran als zuletzt.
Rennen 1
Beim sonntäglichen Start zu Sprint-Rennen 1 unter frühlingshaft-sonnigen Bedingungen konnte Marcin Jedlinski den Powervorteil seines Olimp-Ferrari gegenüber Javier Ibran Pardo am Start ausspielen und vorn bleiben. Kurve 1 in Estoril ist nicht erst seit den legendären Duellen von Senna, Prost, Mansell & Co. ein Nadelöhr, das für manchen Rennstau oder Feindkontakt gut ist. Heute aber blieben alle „sauber“ und reihten sich sauber ein. Oscar Löfquist mit seinem Team Wileco-992 GT3 Cup nutzte die Gunst der Stunde und schnappte sich aus Reihe 3 startend gleich zwei Autos aus der nominal stärkeren GT3 Klasse. Er rettet diesen Vorteil tatsächlich bis ins Ziel und schliesst auf dem Gesamtpodium als Dritter ab, und das bei seinem allerersten GTWS-Aufschlag. Chapeau! Ihm folgt auf Rang 4 Johannes Kapfinger, der mit dem Huber 991.2 GT3 Cup das schnellste Auto dieses Typs stellte, gefolgt von Simon Eibl im Laptime-Porsche. Übrigens Kapflingers erstes Rennen überhaupt, das sieht nach Talent aus!
Pardo fiel zwischenzeitlich nach einem Fehler zurück, konnte sich aber zurück an die Spitze kämpfen und letztlich den Gesamtsieg holen. Seine fahrerische Stärke unterstrich er durch die schnellste Runde des Rennens mit beachtlichen 1:37,811.
In der GT4-Klasse ging es heiss her – sieht man einmal von Oeverhaus ab. „Ist vorne, bleibt vorne“, so sie Kurzbeschreibung seines Einsatzes. Die amtierenden Meister (Haub/Jilkova auf DRAGO Racing ZvO AMG GT4) können die Pace zwar nicht ganz mitgehen, glänzen aber mit guter Konstanz und messerscharfer Präzision ohne unnötige Rangeleien. Es bleibt abzuwarten, wer von den vorderen GT4s auf lange Meisterschaftssicht der konstanteste sein wird. Die Meisterschaft könnte damit stehen und fallen.
Im BMW M2 CS Racing Winter Cup jagte José de los Milagros los, als gäbe es kein Morgen. Nach beeindruckenden Rundenzeiten, die denen von Crack Marchewicz kaum nachstanden, liefen sie nach der 25 min. Distanz einträchtig hintereinander ein, nicht ohne vorher harte, aber faire Kämpfe ausgefochten zu haben. BMW España wird übrigens ab dem Jerez-Lauf mit zwei M2 CS Racing am Start sein.
In der Cayman GT4 Klasse konnte einmal mehr ein schwedischer Fahrer vom Team WILECO Fahrer auf sich aufmerksam machen. Kennet Ahnelov deklassierte bei seinem ersten Einsatz die versammelte Konkurrenz und lief unmittelbar hinter den amtierenden Meistern ein.
Rennen 2
Das Duell (besser: Triell) des Rennens war Löfquist vs. Glaser, beide 992 GT3. Sie haben sich nicht nur jeweils den anderen vorgenommen, sondern auch Uwe Lauer im Die Biermacher Racing Ferrari, der sich beiden auf der Geraden kaum erwehren konnte. Löfquist gewann zunächst über Glaser, dann über Lauer. Vor allem das Duell gegen Glaser ist aller Ehren wert, denn dieser bringt die geballte Erfahrung des Porsche Carrera Cups Deutschland auf den Asphalt von Estoril und ist somit ein überaus kompetenter Renngegner. Und dabei herzerfrischend aufgeigt.
Nicht recht in Tritt kommen sollte Pardo. Sein LMP3 gehört auf den Geraden nicht zu den schnellsten, weswegen der eine oder andere Cup-Porsche vorbeizog und für ihn nachfolgend nur schwer wieder einzufangen war. Er steckte im vorderen Mittelfeld fest und konnte seine Stärken heute nicht recht ausspielen, wenngleich er sich zum Schluss von den anderen Fahrzeugklassen freistrampeln konnte.
Dass Oeverhaus die GT4 Klasse dominiert, daran haben wir uns gewöhnt. Dass Haub nicht auf seinen Fersen folgt, daran nicht. Er fiel in der Startphase zurück und schloss nur auf P3 der GT4 ab, vor ihm beide AMG GT4 von CV Peformance. Van Ommen und Zakowski vom Team DRAGO Racing ZvO müssen sich für den nächsten Lauf in Jerez etwas einfallen lassen.
Eine Safety Car Phase kurz nach Rennmitte wegen eines technischen Defekts mit Flüssigkeitsverlusts am Bluemle Cayman GT4 sollte zusätzliche Spannung generieren, denn plötzlich waren alle wieder ganz eng beisammen. Nur drei Minuten vor Ablauf der 25 min. Distanz wurde noch einmal gestartet, die verbleibenden zwei Runden versprachen Brisanz. Während Lauer im Ferrari keine Mätzchen machte, hatte Glaser noch eine Rechnung mit Löfquist offen, welcher sich aber durchsetzte und Dritter gesamt wurde. Glaser bekam übrigens in letzter Minute noch Druck vom Goodspeed AMG GT3, besetzt mit Piotr Wira. Er drückte kräftig am Glaser-Heck, musste sich aber mit P5 zufriedengeben.
Gesamtsieger wurden im Sprintrennen 2 die beiden Olimp Ferrari, welche vom Start weg mit Fabelzeiten vornweg bliesen und ein Fotofinish hinlegten. Karol Basz heisst der lachende Sieger.
Endurance
Kurz vor Dämmerung ging es los zur 45 Minuten langen Endurance mit Boxenstopp und, falls sich zwei Piloten ein Auto teilen, einem Fahrerwechsel. Wieder komplettieren beide Olimp-Ferraris die Reihe 1 und für niemanden bestand je ein Zweifel daran, dass die beiden einen Start-Ziel-Doppelsieg einheimsen würden. Weit gefehlt, denn der schwarze Olimp-Ferrari fiel zurück und sollte nur vierter hinter dem LMP3 von Javier Ibran Pardo werden. Das Duo Basz/Jedlinski holt sich einen weiteren Sieg und bekommt das Kunststück hin, im Endurance Rennen eine sagenhafte 1:36,387 rauszuhauen. Auf P2 läuft der „Die Biermacher Racing“ Ferrari von Uwe Lauer ein, der sich zur Verstärkung Francesco Lopez in die Endurance geholt hatte und dem in puncto schnellster Rundenzeit lediglich eine Sekunde auf das Ass Basz fehlte, was die Performance des Biermacher-Ferraris verdeutlichte.
Das ganze Wochenende durch hat uns Johannes Kapfinger begeistert. Der 18-jährige führte in seinen ersten Rennen die Etablierten auf seinem 991.2 Cup regelrecht vor und gewann gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder die Cup-R Klasse. Wow!
Oeverhaus, der die Langstrecke alleine fuhr, räumte erneut ab, die Titelverteidiger Haub/Jilkova sicherten sich P2. Allerdings wurde es rund um den Boxenstop spannend, denn der ZvO-AMG GT4 der Meister wurde zielgenauer wieder ins Rennen gelassen und überholte Oeverhaus dadurch in der Box. Haub konnte Oeverhaus nach der Wiederaufnahme durchaus beschäftigen und zeigte grosses Kämpferherz, bis sich Oeverhaus letztlich durchsetzte und überholen konnte.
Dass Kkraemer Racing Langstrecke gewöhnt ist, merkt man am Ergebnis in der Endurance, denn sie fuhren ihren 981 GT4 CS bis ins Mittelfeld der Gesamtwertung rein und gewannen die Cup S Klasse. Den Fahrer Veremenko und den Teamchef Karsten Kraemer, der selbst ins Lenkrad griff, wird es freuen. Da hat einfach alles gepasst und zeigt, dass Konstanz und perfekte Boxenarbeit auf der Langstrecke viel bringen.
Saisonmitte und Jerez voraus
Die GT Winter Series ist nun genau bei Saisonmitte und sieht zwei weiteren fabelhaften Stationen entgegen. Nächstes Event wird am 12./13. Februar 2022 im andalusischen Jerez ausgetragen. Die von MotoGP und in der Vergangenheit Formel 1 bekannte Strecke befindet sich im Bestzustand und begeistert durch ihre flüssige Streckenführung. Nicht umsonst nennt man sie auch „das Spa-Francorchamps von Spanien“.
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