PROsport Racing-Teamchef Christoph Esser zählt den Saisonauftakt der DTM Trophy in Monza zu den „schlimmsten Rennwochenende in knapp 50 Jahren Motorsport“. Wir sprachen mit dem Routinier darüber, was alles schiefgelaufen ist und wie PROsport Racing die Zukunft in der Rennserie sieht.
Betrachten wir das Rennwochenende der DTM Trophy in Monza zuerst aus sportlicher Sicht. Tim Heinemann hat auch im PROsport Aston Martin bewiesen, dass er um Spitzenplätze kämpfen kann. Wie zufrieden sind Sie mit der Leistung von ihm? Und wie zufrieden sind Sie mit ihrem zweiten Aston Martin-Piloten Patrik Matthiesen?
Zu der Leistung von Tim Heinemann gibt es eigentlich nicht viel zu sagen: Seine Qualitäten sind herausragend! Ich verstehe absolut nicht, wieso AMG ein solches Talent einfach laufen lässt. Das ist aber umso besser für uns. Patrik Matthiesen hat in allen Tests und beim 24h-Rennen in Dubai eine Topleistung abgeliefert, aber das Wochenende in Monza hat ihn komplett verunsichert. Er benötigt einen ruhigen Background. Das Negativtheater hat ihn leider komplett aus der Bahn geworfen. Das tut mir sehr leid für ihn, denn er ist wirklich ein talentierter Fahrer. Mit einer Leistung wie in Monza wird man nicht Vizemeister in der britischen GT4.
Adam Christodoulou hatte im Porsche Cayman PRO 4 ein problematisches Wochenende und kam niemals wirklich zum Fahren. Was war die Problematik?
Das geht zu hundert Prozent auf unsere Kappe. Das Auto hat jahrelang keinen einzigen Ausfall produziert, aber seitdem wir mit diesem Auto in der DTM Trophy antreten, haben wir einige unerwartete technische Probleme erlebt. In Monza hatten wir das gleiche Problem wie im vergangenen Jahr beim Auftakt in Spa. Eine halbe Stunde vor dem Qualifying stellte die Benzinhochdruckpumpe ihren Dienst ein. Da diese Pumpe bei Porsche derzeit nicht lieferbar war, hatten wir keinen Ersatz dabei. Unsere Ersatzpumpe hatten wir in der vergangenen Woche einem Kunden gegeben, wussten zu dem Zeitpunkt aber nicht, dass das Teil nicht lieferbar ist – ein wirklich blöder Zufall mit ärgerlichen Folgen. Adam hätte mit Sicherheit seinen Teil zur Show an der Spitze beigetragen, denn für das zweite Qualifying und das Sonntag-Rennen durften wir den BoP-Ballast wieder aus dem Auto rausnehmen. Somit wären wir wieder mit der Performance vom Test am Lausitzring gefahren und gemäß Datenauswertung wären das etwa 1,0 bis 1,2 Sekunden pro Runde in Monza gewesen.
Ein großer Aufreger war die Strafe gegenüber Tim Heinemann im zweiten Lauf, welche ihm den Sieg gekostet hat. Viele Fans kritisieren, dass die Strafe erst nach dem Rennen ausgesprochen wurde und nicht, wie in der Runde vorher, als Heinemann mit Michael Schrey die Plätze tauschen musste. Was sind Ihre Gedanken dazu?
Die Kritik der Fans ist wohl berechtigt, der können wir uns nur anschließen. Sowohl unser Carchief als auch der Carchief von Bonk Motorsport haben minutenlang über den Racedirector-Funk den Rennleiter um eine Entscheidung gebeten. Er hat aber keinen Ton gesagt, und es gab auch keinen Hinweis auf dem Screen. Zum Zeitpunkt der Aktion waren noch fünfeinhalb Minuten zu fahren, so dass genügend Zeit für eine Entscheidung im Rennen gewesen wäre.
Der Rennleiter fiel zudem in Monza damit auf, dass ähnliche Vergehen unterschiedlich bestraft wurden. Lucas Mauron erhielt im zweiten Durchgang für das Verlassen der Strecke mit Vorteil eine Durchfahrtsstrafe, welche sich als falsch herausstellte, als diese bereits abgesessen war, wofür sich beim Team entschuldigt wurde. Tim Heinemann erhielt eine Zwei-Sekunden-Zeitstrafe. Sehen Sie es als kritisch an, dass ähnliche Anklagepunkte unterschiedlich bestraft werden und keine einheitliche Linie gefahren wird?
Es gab einige Dinge, die nicht wirklich nachvollziehbar waren, doch ich will mich darüber nicht mehr weiter aufregen. Ob die Strafe mit der Rückversetzung auf Platz drei – wieso eigentlich auf P3 und nicht auf P2, schließlich war es ein fairer Zweikampf nur zwischen Tim und Michael – eine Retourkutsche für den Rückzug der Autos am Samstag war, will ich nicht sagen, andere haben das wohl so gesehen.
Nachdem Sie Ihre Fahrzeuge vom Samstagsrennen zurückgezogen haben, sind Sie am Sonntag wieder an den Start gegangen. War es eine Überlegung Ihrerseits, dass Sie das Rennwochenende komplett beenden?
Die Entscheidung, am Samstag nicht zu fahren, war natürlich die Folge der Disqualifikation. Da es bereits das ganze Wochenende bezüglich Organisation und BoP Anlass für reichlich Unmut und Diskussionen gab, war das im ersten Moment eine sehr emotionale Entscheidung, zu der ich aber stehe. Nachdem die DTM Trophy-Orga Gesprächsbereitschaft signalisierte und ich meinen Leuten nicht das ganze Wochenende verderben wollte, habe ich einem Meeting zugestimmt. Natürlich spielt dabei auch der Druck seitens der Fahrer beziehungsweise Kunden, der ja in 99 Prozent solcher Fälle eine konsequente Entscheidung verhindert, eine mitentscheidende Rolle, aber dessen war ich mir voll bewusst und ich hätte das auch für das ganze Wochenende ausgestanden, hätte es am Sonntagmorgen nicht dieses konstruktive Gespräch mit den Verantwortlichen gegeben. Am Sonntag lief es von Seiten der Organisation deutlich besser und es gab keinerlei Anlass, sich über etwas zu beschweren.
Der Grund für den Rückzug am Samstag war ja ein angebliches Parc Fermé-Vergehen, wo ein BMW-Team auf eine Meldung an die Sportkommissare bestand, was zum Ausschluss von Tim Heinemann aus dem Qualifying geführt hat. Können Sie einmal genauer erläutern, was aus Ihrer Sicht passiert ist?
Wir sind nach dem Qualifying am Samstag aufgefordert worden, mit dem Auto zu der Scrutineering-Area zu kommen, was wir auch sofort gemacht haben. Dort stellt man sich an und wartet, bis man aufgefordert wird, das Auto ins Zelt zu schieben. Es kam das Kommando: Ihr seid dran! Einer setzt sich ins Auto zum Lenken, die anderen schieben. Dann hieß es: Stopp, nochmal raus, der Audi ist noch nicht fertig. Okay, also wieder rausschieben und der Mann steigt aus. Wenige Minuten später folgte der gleiche Vorgang noch einmal, dann haben die DEKRA-Leute das Auto untersucht. Just zu diesem Zeitpunkt fühlte sich der Teamchef von FK Performance berufen, diesen Vorgang als Parc-Fermé-Verstoß zu reklamieren, denn er behauptete, dass sich keiner in das Auto setzen dürfe. Lange Rede, kurzer Sinn: Der DEKRA-Verantwortliche musste das den Sportkommissaren melden, da FK darauf bestand. Das Witzige an der Sache ist, dass auch FK und alle anderen genauso einen Mann in das Auto setzen, um das Auto in das Zelt der Abnahme zu bekommen. Obwohl der DEKRA-Mann bei den Sportkommissaren den Vorgang exakt so bestätigt hat, wie wir ihn beschrieben haben, hat uns der Chefsteward disqualifiziert. Ich habe zwar heftig interveniert, aber ohne Erfolg. Zudem habe ich die DTM Trophy-Orga um Hilfe gebeten, jedoch erfolglos. Somit war für mich in diesem Moment klar, das hat alles keinen Sinn. Natürlich bin ich laut geworden, ohne aber jemanden persönlich anzugreifen. Am Sonntag habe ich nach der Zwei-Sekunden-Strafe dem Rennleiter schließlich deutlich gesagt, was ich von seiner Arbeit halte.
Über das ganze Rennwochenende gab es auch immer wieder Kommentare aus dem Fahrerlager der DTM Trophy, dass die BoP nicht gepasst hat. Was ist Ihre Meinung dazu?
Die BoP ist wahrscheinlich das sensibelste Thema im Rennsport überhaupt. Zu der BoP bis Qualifying 2 muss und will ich nichts sagen, da muss man nur sich die Ergebnislisten anschauen. Es haperte an der Bereitschaft, sich konstruktiven Diskussionen zu stellen seitens der BoP-Verantwortlichen. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, dass es hier nur um einen Wettbewerb zwischen SRO auf der einen Seite, über die man bestimmt auch genug an Kritik ausschütten könnte, aber nicht über deren BoP, und der DTM bzw. DTM Trophy auf der anderen Seite. Der Ausgangspunkt der BoP für die DTM Trophy war jedenfalls ein Fehlschuss, wie jeder sehen konnte. Zum Sonntag gab es dann speziell aufgrund der Qualy-Performance Änderungen, nicht zuletzt als der Diskussionen, die wir, Toyota und KTM geführt haben.
PROsport Racing nahm auch bereits 2020 an der DTM Trophy teil. In wie weit hat sich die Rennserie vom vorherigen Jahr zur diesjährigen Saison verändert und was sind, Ihrer Meinung nach, die Gründe dafür?
Gerhard Berger hat gegenüber 2020 fast seine ganze Mannschaft ausgetauscht. Das dürfte wohl eine der Ursachen für die aktuellen Probleme sein.
Sie haben das Rennwochenende in Monza als „eines der schlimmsten Rennwochenende in knapp 50 Jahren Motorsport“ bezeichnet. Wird PROsport Racing trotzdem weiterhin in der DTM Trophy starten oder schauen Sie sich bereits nach einem neuen Betätigungsfeld um und beenden das Kapitel?
Wir beabsichtigen, weiter an der DTM Trophy mit allen drei Autos teilzunehmen, aber schauen uns am Lausitzring kritisch an, ob die Zusagen der Orga eingehalten wurden und sich einige Dinge verbessert haben.
Geben Sie der Rennserie noch Zukunftsaussichten? Wenn ja, was muss sich in der Rennserie ändern, damit sie wieder attraktiv für Teams wie PROsport Racing wird?
Die DTM Trophy hat ein gutes Fundament, das haben wir im vergangenen Jahr erfahren, und deshalb sind wir auch in diesem Jahr wieder dabei. Es gab ein gutes Gespräch, die kritischen Punkte wurden dabei offen angesprochen. Die Orga hat zugesagt, an den verschiedenen Themen zu arbeiten. Ich wünsche wir, dass Teams und Orga künftig einen offenen Dialog führen, um negative Erlebnisse wie in Monza gemeinsam zu verhindern.
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