Die GT Winter Series ging am 14./15. Januar 2023 in Estoril in ihre zweite Saisonrunde. Die legendäre Ex-Formel 1-Strecke nahe Lissabon hielt eine Menge Action bereit und sorgte für die eine oder andere Überraschung. Mit 44 Nennungen war das Feld nicht nur üppig, sondern auch hochklassig besetzt, denn etablierte Renngrößen wie Kenneth Heyer oder Marcel Marchewicz gaben sich ein Stelldichein. Ein zumindest zu Anfang kapriziöses Wetter gab Salz in die Suppe der umkämpften Meisterschaft.
Qualy von nass bis klamm
Der Atlantik vor Estoril schlug in der Nacht vor dem 2023er GTWS-Auftakt sprichwörtlich hohe Wellen, denn selbige waren nebst reichlich Regen an der Küste bis zu 7m hoch. So sollte das morgendliche Qualifying nass stattfinden, jedoch zunehmend freundlich dreinblicken, als sich die Wolken zusehends verzogen. So schien das Geheimnis der schnellen Zeiten im richtigen Timing zu liegen, denn die portugiesische Sonne frass die Tropfen langsam auf.
Ganz vorn gaste sofort Krystian Korzeniowski im Olimp Audi R8 GT3 an und brannte eine Zeit in den griffigen Estoril-Asphalt, an die keiner mehr heranstinken konnte – Pole für Rennen 1. In der GT4 traf man an der Spitze einen alten Bekannten wieder – den AMG GT4 von CV Performance mit Simon Primm. In Qualy zwei musste er sich allerdings Daniel Schwerfeld unterlegen zeigen, welcher im Lemmerz-Audi GT4 keine Zweifel an seiner Regenklasse aufkommen liess.
Zu erwähnen sei zudem die Kombi Andreas Greiling / Jens Richter, die ihren von MS Racing vorbereiteten 718 Cayman GT4 auf die Klassen-Pole setzte. Der Porsche Sports Cup Schweiz Meister scheint auch im Regen zu wissen, wie man behende am Lenkrad dreht.
Eine beeindruckende Duftmarke setzte Dustin Blattner, der mit seinem Manthey Porsche 992 Cup die Klasse der reinrassigen GT3s aufscheuchte, die um Grip auf dem immer noch feuchten Asphalt kämpfte. Blattner wusste seine Reifen optimal zu nutzen und distanzierte locker alle „Klassenkameraden“ in der mit 13 Autos prallgefüllten Kategorie der Cup-Porsches. Er war letztlich nur rund eine Viertelsekunde langsamer als der Polesetter der Gesamtwertung.
Was Korzeniowski in Q1, war Marcel Marchewicz in Q2, denn dieser fuhr eine solide, aber brandschnelle 1:48,834 und setzte sich damit zu keiner Zeit gefährdet auf die Pole fürs Nachmittagsrennen mit seinem Schnitzelalm-AMG GT3.
Sprint 1 kürzer als erwartet
Nachdem im Laufe des Vormittags die Strecke allmählich trockener wurde, hatten alle Piloten den Entschluss gefasst, auf Slicks zu starten. Da die Strecke aber noch immer wechselnde Bedingungen zeigte, entschied der erfahrene Rennleiter Werner Aichinger, die Anzahl der Einführungsrunden auf zwei zu erhöhen, damit sich die Fahrer mit den Bedingungen vertraut machen konnten. Nicht bei allen schien dieses Sightseeing zu fruchten, denn gleich in Runde 1 erwischte der AMG GT4 von CV den Cayman von Jens Richter und drehte diesen in den daneben fahrenden Cup-Porsche von Leandro Martins (LMR Racar Motorsport) hinein – Blattschuss, das Safety Car war fällig. Kaum war das Rennen nach zwei Runden Aufräumarbeiten wieder freigegeben, da rollt der Ligier JS2R von Julien Lemoine aus und verursacht die nächste Safety Car-Phase. Diese war zwar zügig wieder aufgehoben, allerdings standen die Piloten nun unter dem Druck, binnen nur 4 verbliebener Runden über Sieg oder Niederlage zu entscheiden. Dies gelang gekonnt, vor allem Kenneth Heyer und Michael Joos lieferten sich ein packendes Startduell, das Heyer zunächst gewann, den Platz aber wieder an Michael Joos und seinen Porsche GT3-R abgeben musste. Beide hatten jedoch das Nachsehen gegenüber dem Gesamtsieger Krystian Korzeniowski, der seinen Olimp Racing Audi R8 GT3 ebenso gut im Griff hatte wie die Rennführung und den daraus resultierenden Sieg.
In der GT4 konnte Schnitzelalm gleich zwei Erfolge feiern, nämlich Platz 1 (Hartling/Walsdorf) und Platz 2 (Hahne/Mesch). Lemmerz als Renn-Rookie wurde Dritter mit seinem Audi R8 GT4.
In der Klasse Cup 1, die ausnahmslos von Ferrari 488 Challenge Evo besetzt war, siegte Thomas Fleming vor James Owen und dem Teamkollegen von Racing-Ass Dominik Schwager, Mutlu Tasev.
Sprint 2 mit echten Performern und einer absurden Einlage
Die Zahl zwei schien bei Safety Car-Einsätzen an diesem Wochenende zur festen Grösse zu werden. Zumindest rückte das Sicherheitsmobil auch im zweiten Sprint gleich zweimal aus, allerdings diesmal nur je gut eine Runde lang, sodass es einem spannenden Renngeschehen keinen Abbruch tat.
Skurril, dass der Start-Ziel-Sieger Marchewicz mit seinem Schnitzelalm-AMG GT3 oft einen Rückspiegel voller Blattner sah. Der USA-Yankee auf dem Manthey-Cup-992 war blendend aufgelegt und folgte Marchewicz wie ein Schatten, bevor der GT3 allmählich davonzog. Hinter Blattner blieb der Carrera Cup-erprobte Sebastian Glaser wacker dran und sicherte sich Cup-Platz 2 vor einem weiteren Mathey-Piloten, Tareq Mansour. Im Übrigen lieferten sich die Manthey-Piloten mehrere sehenswerte Duelle mit den beiden Huber Racing Piloten (Michael und Johannes Kapfinger) und das ganz ohne Lackaustausch. Chapeau!
Chirurgisch präzise schaffte sich unterdessen Thomas Fleming mit seinem FF Corse Ferrari 488 Challenge Evo auf den dritten Gesamtrang nach vorn – stark! Leider brachte er sich selbst, wenn auch denkbar knapp, um die Früchte seiner Arbeit, denn er überholte unter Safety Car-Bedingungen und wurde dafür mit einer 25 Sek.-Strafe belegt. Dabei ging es lediglich um ein paar Zentimeter, aber Regel ist Regel. Er hatte aber davor einen derart überlegenen Vorsprung herausgefahren, dass er trotzdem noch den Klassensieg feiern durfte.
Die absurdeste Einlage des Tages lieferte zweifelsohne Andreas Greiling. Locker in Führung seiner Klasse liegend verschenkte er den Sieg, weil er nach Überqueren von Start/Ziel der Meinung war, das Rennen sei zu Ende, was aber erst eine Runde später der Fall sein sollte. Bis er von seiner Box per Funk auf diesen Missstand hingewiesen wurde, war bereits das eine oder andere Auto an ihm vorbeigezogen. Er kann von Glück reden, dass es noch zu Platz 2 in der Cayman GT4-Klasse reichte.
Endurance mit vielen Kämpfen
Die Startaufstellung zur 60-minütigen Endurance wird durch die Addition der beiden Sprintergebnisse bestimmt. Daher war nicht der Schnitzelalm-AMG ganz vorn, sondern Blattner auf dem Manthey-Porsche. Wenig überraschend konnte dieser die Führung nur kurz halten, Marchewicz zog vorbei und davon, Joos jagt ihm nach, wenngleich mit Respektabstand, muss aber mit Reifenschaden zur Box. Einmal mehr zeigte Thomas Fleming seine Klasse. Effizient im Fahrstil, pfeilschnell in der Rundenzeit, fährt er munter auf P3 in der Gesamtwertung und hält diesen bis zum Ziel.
Die Endurance schien auch ANS Motorsport sehr gut zu liegen. Teamchef Nicholas Schatz sah sehr zufrieden mit seinem Piloten Jonathan Bossard aus, der konstant fuhr – und zwar konstant schnell. Der alleine antretende Pilot stürmte auf einen tollen P2 gesamt, bevor er beim Überholen Kollege Wira herumdrehte, sich dabei das Auto verbog und Dustin Blattner im Manthey-Porsche den zweiten Gesamtrang erbte. Bossard fiel aus.
Apropos alleine – Piotr Wira wirkte auf der Langstrecke besonders konzentriert und ganz offensichtlich topfit, konnte aber die Früchte seiner makellosen Fahrt nicht ernten, da er wegen des Techtelmechtels mit Bossard ausfiel. Dasselbe Schicksal traf den Olimp-Audi mit Jedlinski am Steuer, er drehte sich unter Mithilfe eines Konkurrenten.
Unnatürlich durchmischt wurde das Feld durch die Tatsache, dass sage und schreibe vier Piloten nicht rechtzeitig vor dem Umspringen der Boxenampel auf Rot den Weg in die Startaufstellung fanden und somit aus der Box starten mussten. 60 Minuten reichten allerdings den meisten, um in guter Teamleistung ins solide Mittelfeld zurückzukehren, so auch Thomas Röpke, selbst Rennserienkoordinator in Deutschland und sein Teamkollege Martin Heidrich auf ihrem Cayman GT4.
Gesamtsieger werden Marcel Marchewicz und Kenneth Heyer. Sie waren zu keiner Zeit gefährdet und haben gemeinsam mit ihrer Mannschaft Schnitzelalm Racing eine perfekte Teamvorstellung gegeben. Die Truppe holte ausserdem in der GT4 Klasse den zweiten und dritten Platz.
Nächster Halt: Jerez
Das nächste Rennen in Jerez findet am 11. und 12. Februar statt. „Wir sind praktisch ausgebucht und somit an der Kapazitätsgrenze der von der FIA vorgeschriebenen maximalen Fahrzeugzahl angelangt“, so GTWS-Projektleiter Robin Selbach. „Es freut uns sehr, dass das Konzept der GTWS so guten Anklang findet. Jerez als Herz des spanischen Motorsports ist ein besonderes Highlight, auf das wir uns schon sehr freuen.“
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