Jörg Müller ist 2021 zurück im GT3-Fahrzeug auf der Nordschleife. Gemeinsam mit den beiden Walkenhorst Motorsport-Junioren Sami-Matti Trogen und Mario von Bohlen wird er einen BMW M6 GT3 steuern – hier mehr dazu. Wir sprachen mit ihm über die anstehende Saison.

Du wirst 2021 gemeinsam mit Sami-Matti Trogen und Mario von Bohlen im Walkenhorst Motorsport M6 GT3 in der Nürburgring Langstrecken-Serie und beim 24h-Rennen starten – was sind deine motorsportlichen Ziele in dieser Saison?

Sami-Matti ist noch gar keinen GT3 gefahren auf der Nordschleife und Mario hat auch noch nicht so viel Erfahrung auf der Nordschleife, von daher wird es für uns im ersten Jahr absolut darum gehen so viele Kilometer wie möglich zu sammeln. Das heißt, mir wäre es am liebsten wenn wir bei jedem NLS-Rennen die Zielflagge sehen würden und jeder seine Kilometer fahren kann um Erfahrungen mit einem GT3 im Verkehr und bei wechselnden Wetterbedingungen sammeln zu können. Und wenn man dann einige der großen Teams gelegentlich ärgern könnte, dann wäre das eine schöne Geschichte für uns. In erster Linie geht es jedoch um die Zwei, dass die beiden so viel wie möglich im Auto sitzen und so viele Kilometer wie möglich abspulen können.

Zudem wirst du die Rolle des Mentors einnehmen und versuchen den beiden Walkenhorst Motorsport-Junioren so viel wie möglich beizubringen – was sind dabei deine speziellen Aufgaben?

Es gibt so viele verschiede Konzepte was Nachwuchsförderung angeht. Meiner Meinung nach, muss man als guter Rennfahrer erstmal einen guten Instinkt und Willen mitbringen. Das Gefühl im Hintern sollte da sein, denn das kann man den Jungs nur sehr schwierig beibringen. Bei Walkenhorst ist es klasse, dass ich mit auf dem Auto sitze. Dadurch ist das direkte Coaching und die Video- und Datenanalyse wesentlich einfacher und effektiver. Um erfolgreicher Rennfahrer zu sein, musst du aber auch ein guter Teamplayer sein, um gut mit deinen Teamkollegen, Mechanikern und Ingenieuren umgehen zu können und, dass du, ganz wichtig, dein Auto verstehst. Ein Motorsportler ist immer nur so schnell wie sein Material, das heißt, wenn dein Auto eine falsche Abstimmung hat, dann wirst du ziemlich sicher hinterherfahren, also ist das somit eine der wichtigsten Sachen. Die Technik wird bei mir sehr stark im Fokus liegen, das heißt, dass ich den Jungen beibringen werde, wie sie an einem Rennwochenende ihr Material so abgestimmt bekommen, dass sie konkurrenzfähig und schnell sind. Wie gesagt, es gibt da wirklich viele verschiedene Konzepte was die Nachwuchsförderung angeht und durch meine lange Zeit als Chefinstruktor der Formel BMW, der Formel BMW-Schule in Valencia und als Juniorcoach bei BMW hab ich schon echt alles gesehen und kann ich recht gut einschätzen, was wichtig und richtig ist für die Jungs.

Peter Posavac Rolf Scheibner Dirk Heldmann Jörg Müller Team Speedline Racing BMW Z4 GT3 24h Nürburgring
Foto: Daniel Matschull

Du warst zuletzt beim 24h-Rennen 2019 mit einem GT3 Fahrzeug auf der Nürburgring-Nordschleife unterwegs, wo du den BMW Z4 GT3 von Peter Posavac gesteuert hast. Ist die ,,GT3 Pause“ auf der Nordschleife ein kleiner Nachteil für dich, oder wirst du zwei bis drei Runden brauchen und du bist dann direkt wieder drin?

Es wäre schon Blödsinn zu sagen, dass es keinen Nachteil ist. Es ist natürlich immer gut viel im Auto zu sitzen, viel zu testen und regelmäßig am Lenkrad zu drehen. Jedoch dadurch, dass ich seit meinem 6. Lebensjahr Motorsport betreibe und somit in den letzten 45 Jahren nichts Anderes gemacht habe als Rennfahrzeuge am Limit zu bewegen, denke ich, dass ich mich nicht sehr schwer tun werde. Ich merke, dass zum Beispiel, wenn ich mich jetzt in ein Go-Kart setze. Da bin ich gleich wieder sehr schnell am Limit und hab das Gerät im Griff.  Das ist das, was mir in die Wiege gelegt wurde. Das Gefühl, dass ich in meinem „Hintern“ habe kann mir niemand nehmen und daher denke ich nicht, dass ich mich sehr schwer tun werde. Allerdings muss man trotzdem sagen, dass es nicht gut tut ein komplettes Jahr Pause gemacht zu haben und daher bin ich jetzt auch mehr als glücklich endlich wieder hinter dem Steuer zu sitzen. Wie gesagt liegt der Fokus aber primär auf Sami-Matti und Mario, dass die bei beiden viele Erfahrungen sammeln können. Ich will den Jungs, mit all den Erfahrungen die ich in meinen ganzen Jahren im Motorsport sammeln durfte, so gut wie möglich zur Seite stehen.

2019 und 2020 warst du für Walkenhorst Motorsport als Ingenieur in der Nürburgring Langstrecken-Serie sowie der DTM Trophy tätig – denkst du, dass diese Einblicke dir auch im Fahrzeug und mit deinen Junioren helfen werden?

Ich habe einfach versucht mich weiterzuentwickeln, wobei man dazu sagen muss, dass ich schon immer einen technischen Background gehabt habe. Ich bin damals in der Werkstatt von meinem Papa aufgewachsen und haben mit 13/14 Jahren schon meine eigenen Kartmotoren revidiert und daher weiß ich seit meiner Kindheit wie Technik funktioniert und kenne den ganzen Background. Von daher fiel es mir auch das letzte Jahr sehr leicht, den Job des Fahrzeugingenieurs auszuüben. Wenn man mit Fahrzeugingenieuren spricht die mit mir zusammengearbeitet haben, können die bestätigen, dass ich einen sehr guten technischen Background habe. Für mich war es eher mal wichtig, die ganze Organisation hinter der Sache zu sehen und das hat mich gewundert wie aufwendig das Ganze doch ist. Fahrzeugingenieur ist einfach mehr als ein bisschen in die Daten zu gucken und ist ein riesgroßer Aufwand. Dadurch habe ich auch einen riesen Respekt vor allen Fahrzeugingenieuren.

In den sozialen Netzwerken hast du dich schon häufiger sehr kritisch gegenüber Simracing geäußert. Dein Junior Sami-Matti Trogen fährt dies sehr erfolgreich – prallen da zwei Welten aufeinander?

Jörg Müller
Foto: Daniel Matschull

Ohje, da beweg ich mich auf ganz, ganz dünnem Eis, ich weiß. Im Endeffekt ist Simracing eine wirklich tolle Sache und man kann damit auch einiges lernen, man sollte es für mich persönlich aber einfach nicht mit dem realen MOTORsport vergleichen. Motorsport wird mit all seinen Sinnen betrieben. Sehen, hören, fühlen, riechen und schmecken. Aus meiner Kindheit kann ich mich noch wie gestern daran erinnern wie wir zur Kartbahn gefahren sind. Das Kribbeln im Bauch ist mit jedem Kilometer, den wir der Strecke nähergekommen sind, grösser geworden und ich wurde immer Nervöser. Adrenalin ist in mich eingeschossen als wir auf dem Parkplatz gefahren sind und dann hat es nach verbranntem Zweitaktöl gerochen. Da wusste ich, hier bin ich Zuhause, auf der Rennstrecke! Auch heute kommst du an der Strecke an, freust dich die Jungs zu sehen, hast Meetings mit den Ingenieuren und bereitest Dich auf den Trackwalk vor. Autorennen fahren ist Teamsport. Da gehören nicht nur Teamkollegen dazu, sondern das komplette Team. Truckies, Reifenjungs, Mechaniker, Dateningenieure, Fahrzeugingenieure, Teammkoordinatoren und und und. Du riechst das Gummi und den Sprit an der Strecke… Essentielle Faktoren die MOTORsport zu Motorsport macht und die du beim Simracing nicht ganz so hast. Von daher ist Simracing eine super Sache, die auch mir schon mal geholfen hat neue Strecken kennen zu lernen, aber ich kann, für mich persönlich, die Nähe zum Realen nicht ganz greifen. Da bin ich wohl ein altmodischer Dinosaurier und müsste noch überzeugt werden. Für das Rennen in Bathurst damals habe ich bei einem DTM-Team im Simulator gesessen und habe dort versucht für Bathurst zu trainieren. Ich bin da quasi jede Runde abgeflogen da mir einfach das Feedback wie im realen Rennwagen gefehlt hat. Im Rennauto wäre ich da schon schwer verletzt gewesen. All die Faktoren ,wie das Gefühl im Hinter oder auch die G-Kräfte die Du an den Rippen, am Helm und an den Beinen spürst, kann man einfach in einem Simulator nicht nachstellen. Meistens reagierst Du am Lenkrad, bevor du siehst wie sich das Auto bewegt, weil du was spürst, hörst, riechst oder fühlst. Deshalb kann Simracing leider nie ans Reale ran, aber ist ein cooles Lerntool und eine, für Motorsportfans, klasse Freizeitbeschäftigung. Ein Spiel halt!

Niclas Königbauer ist mittlerweile Teammanager bei Walkenhorst Motorsport. Ihr habt euch erstmals 2002 bei der Formel BMW getroffen, als er BMW-Junior war und du ihn gescoutet hast. Kannst du dich noch an eure erste Begegnung erinnern und hättest du damals gedacht, dass ihr euch später so wieder begegnen werdet?

Niclas und ich haben auch nach Seiner aktiven Formel BMW-Zeit weiterhin Kontakt gehabt. Niclas hat bei uns in der Formel BMW-Schule in Valencia als Instruktor gearbeitet, und wir haben zusammen in Leipzig ein 24h-Kartrennen bestritten, bevor er bei Walkenhorst angefangen hat und Niclas ist ja auch selber ein brutal schneller Nordschleifen-Kollege. Mit SAX Racing ist er da einige Jahre richtig erfolgreich unterwegs gewesen. Bei Walkenhorst habe ich schon 2013 im Z4 getestet und im Dunlop M6 bin ich 2016 einige Rennen gefahren. Ich mag Niclas wirklich sehr. Er hat einen traumhaften Job bei Walkenhorst und er ist maßgeblich dafür verantwortlich. wo das Team Walkenhorst heute steht und welchen Erfolg das Team in den letzten Jahren hatte. Das ist eine lange gewachsene Freundschaft und es freut mich wirklich tierisch dieses Jahr wieder mit den Walkenhorst-Jungs zusammenzuarbeiten.

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