Das sechste Rennen der Nürburgring Langstrecken-Serie musste aufgrund der aktuellen Entwicklungen rund um die Corona-Pandemie abgesagt werden. Im Interview, welches auf der offiziellen Website der Rennserie veröffentlicht wurde, sprechen Ralph-Gerald Schlüter (VLN e.V. & Co. OHG) und Christian Stephani (VLN VV GmbH & Co. KG) über die Hintergründe.

Wie schwer ist es Euch gefallen, NLS 6 abzusagen?

Ralph-Gerald Schlüter: Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Seit März beschäftigt und begleitet uns das Thema Corona bei der Planung und der Umsetzung der Rennen zur Nürburgring Langstrecken-Serie. Mit einer sehr großen Kraftanstrengung ist es uns gelungen, im Juni den Rennbetrieb wieder aufzunehmen und wir waren damit die ersten, die mit dem Ziel in die Saison gestartet sind, acht der geplanten neun Rennen durchzuführen. Seit drei Wochen sind wir mit Infektionszahlen konfrontiert, die noch über denen liegen, die in der ersten Hochphase zu Beginn der Pandemie zu verzeichnen waren.

Christian Stephani: Der Nürburgring und wir waren und sind ständig im Austausch mit den zuständigen Behörden, um der neuen Entwicklung Rechnung tragen zu können. Beispielsweise war eine Vorgabe, jeden, der aus einem Gebiet mit einer Infektionszahl von mehr als 30 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen kommt, nur mit einem negativen Coronatest auf das Gelände zu lassen. Wir haben alles vorbereitet, um auch diese Vorgabe umzusetzen. Umso schwerer ist es uns gefallen, NLS6 dennoch absagen zu müssen.

Wie sollte die Vorgabe zum negativen Coronatest umgesetzt werden?

CS: Es ist klar, dass alleine aus logistischen Gründen eine entsprechende Massentestung für alle infrage kommenden Personen unmittelbar vor der Veranstaltung am Donnerstag und Freitag – einige treffen sogar erst am Samstag ein – nicht möglich gewesen wäre. Wir hatten ein Institut damit beauftragt, im Notfall Tests vor Ort an den Personen durchzuführen, die keinen Vorabtest hätten machen können. Als die Vereinbarungen getroffen wurden, gab es nur wenige Städte und Kreise mit einer Infektionszahl größer als 30 und auch nur sehr wenige mit einer von größer als 50. Das hat sich in den letzten Tagen dramatisch geändert, weshalb nahezu jedes Team und jeder Dienstleister sich um einen negativen COVID 19 Test hätte kümmern müssen.

RGS: Als Folge davon wurde in bestimmten Gebieten die allgemeine Weisung herausgegeben, nur noch Testungen bei Personen durchzuführen, die entweder Symptome aufweisen oder bestimmten Berufsgruppen (Ärzte, Krankenschwestern, Altenheim Mitarbeiter, Lehrer usw.) angehören. Wir wurden von Teilnehmern und in die Gesamtorganisation eingebundenen Personen darüber informiert, dass es ihnen unmöglich sei, einen entsprechenden negativen Test vorzulegen. Als Folge der weiteren Zunahme von Testungen sind einige Labore überlastet und können nicht sicherstellen, innerhalb von 48 Stunden ein Ergebnis vorzulegen. Logistisch wäre es nicht möglich gewesen, die notwendigen Tests ausschließlich am Nürburgring durchzuführen. Als Folge der sich zugespitzten Infektionszahlen und der mangelnden Testmöglichkeiten, mussten einige Teams und Organisationsmitarbeitern frühzeitig ihre Teilnahme absagen.

Wäre es möglich gewesen, bestimmte Personen von der Testpflicht auszunehmen?

RGS: Alle Sportwarte, die rund um die Nordschleife postiert sind, kommen nicht mit Personen auf dem Veranstaltungsgelände in Berührung. Diese sind von der Testpflicht ausgenommen. Alle anderen – wir sprechen von mehreren hundert Personen – müssen nach den uns auferlegten Vorgaben einen negativen Coronatest vorweisen.
Wer sollte für die Kosten aufkommen?

CS: Soweit es sich um Teilnehmer handelt, müssen diese ihre Kosten selber tragen. Für Personen in der Organisation der NLS hätten wir die Kosten übernommen. Wie uns berichtet wurde, fallen die Testkosten sehr unterschiedlich aus. Man muss mit Aufwendungen zwischen 90 und 150 Euro je Test rechnen. Aber nochmals der Hinweis, viele Ärzte verweigern einen Test, wenn man nicht einer bestimmten Berufsgruppe angehört oder Symptome aufweist. Es gibt zwar Testcenter, beispielsweise am Düsseldorfer Flughafen, für viele ist jedoch der Aufwand, vor der Veranstaltung einen Test machen zu lassen, dessen Ergebnis nicht älter als 48 Stunden sein durfte, nicht zumutbar oder aber es konnte nicht garantiert werden, dass das Ergebnis rechtzeitig vorliegt.

Wie war die allgemeine Bereitschaft, mit einem negativen Test teilzunehmen?

CS: Hierzu gibt es keine klare Tendenz. Für einige Teams und einige in der Organisation tätigen Personen stellt der Test überhaupt kein Problem dar. Andere – das ist regional extrem unterschiedlich – sahen sich nicht in der Lage, den Test zu besorgen.

RGS: Es gab aber noch eine andere Entwicklung, die gerade in den letzten vier Tagen eine große Rolle gespielt hat. Aufgrund des dramatischen Anstiegs der Infektionszahlen wird von politischer Seite allen Bundesbürgern dringend geraten, auf Kontakte, Reisen und Veranstaltungen zu verzichten. Wir haben in vielen Gesprächen mit Beteiligten immer wieder darauf hingewiesen, welche Maßnahmen wir ergreifen, um die Veranstaltung sicher zu machen. Es gibt aber eine Vielzahl von Personen, die entweder zu den Risikogruppen gehören oder sich einfach nicht der Gefahr aussetzen wollen und lieber zu Hause bleiben. Wir respektieren die Entscheidung eines jeden einzelnen, da jeder für sich selber entscheiden muss, wie er mit der Pandemie umgeht.

Wie habt Ihr auf Absagen reagiert?

RGS: Wir haben durch Umbesetzungen, nochmalige Reduktion der zwingend notwendigen Personen und Rückfragen bei Institutionen, die bisher bei der NLS nicht tätig sind, versucht, die Ausfälle auszugleichen. Dies ist uns nur in beschränktem Maße gelungen. Für ein Rennen werden zirka 500 ehrenamtliche Helfer benötigt. Insbesondere was die Sicherheit an und neben der Strecke angeht, haben wir hinsichtlich der Einsatzzahlen jedoch kein Ermessen. Wir müssen – die Zeichen des RKI sind unmissverständlich – damit rechnen, dass im Laufe der Woche weitere Gebiete ausgewiesen werden, die Infektionszahlen größer als 50 aufweisen. Dass sich unter diesen Rahmenbedingungen und aufgrund des politischen Drucks der ein oder andere kurzfristig überlegt, doch nicht an einer Veranstaltung teilzunehmen, muss man verstehen. Dies machte es für uns absolut unmöglich, eine sichere Durchführung von NLS 6 zu garantieren.

CS: Der Super-Gau wäre gewesen, die Teams anreisen zu lassen und am Samstagmorgen die Veranstaltung aufgrund einer zu geringen Zahl von Organisationsmitarbeitern absagen zu müssen.

Welche Rolle haben die finanziellen Rahmenbedingungen gespielt?

RGS: Die finanzielle Seite spielte für die Absage keine Rolle, das möchte ich ausdrücklich betonen. Die Umsetzung der Coronaregeln hat einen hohen Aufwand verursacht, der nur teilweise über die zusätzlichen Ticketeinnahmen refinanziert werden konnte. Die fehlenden Zuschauer haben ein weiteres Loch in die Kasse gerissen. Alle Gesellschafter der VLN VV GmbH & Co. KG sowie der VLN e.V. & Co. OHG hatten jedoch bereits vor Beginn der Saison signalisiert, möglichst viele Rennen durchzuführen, auch wenn diese nicht mehr kostendeckend wären. Im Gegenteil, wir hätten die Rennen auch durchgeführt, wenn beispielsweise nur 80 Fahrzeuge am Start gewesen wären. Unsere Verantwortung den Teams gegenüber, der Region und den vielen Gewerbetreibenden nehmen wir ernst und hätten uns ihr gestellt.
Hätte es von Seiten der Genehmigungsbehörde eine Zusage gegeben?

CS: Davon ist auszugehen! Wir sind im ständigen Dialog mit dem Nürburgring und den zuständigen Behörden und haben kein gegenteiliges Signal erhalten. Die Hygienekonzepte, die hier am Nürburgring erarbeitet wurden, funktionieren. Das haben die vergangenen Wochen und Monate gezeigt. Den Behörden ist sehr wohl bekannt, welche wirtschaftliche Bedeutung der Nürburgring für die Region hat. Daher würde man eine Absage seitens der Behörden trotz steigender Zahlen rund um den Kreis Ahrweiler sicherlich nicht leichtfertig aussprechen, sondern alle Möglichkeiten prüfen.

Was plant die VLN für den Doubleheader am 7./8. November?

RGS: Wir hoffen in den nächsten 14 Tagen die Voraussetzungen schaffen zu können, den Doubleheader durchzuführen. Das liegt aber nicht nur in unseren Händen. Das Infektionsgeschehen und die generelle Bereitschaft von Teilnehmern und ehrenamtlichen Helfern an einer Großveranstaltung mitzuwirken, wird zeigen, ob die Durchführung möglich ist. Wir hoffen uns gelingt es, Personen mit verständlichen Bedenken davon zu überzeugen, an unserer Veranstaltung mit sehr geringem Infektionsrisiko teilzunehmen.

Alle Artikel zu den Themen: